Den Preis zahlen die Ärmsten

Der Regenwald speichert Unmengen von CO2. Naturschutzgebiete dienen daher auch dem Kampf gegen den Klimawandel. Doch solche Schutzprogramme haben einen entscheidenden Nachteil: Sie rauben der lokalen Bevölkerung mitunter die Lebensgrundlage.

Im Regenwald von Madagaskar, konkret im Ankeniheny-Zahamena-Korridor, dürfen keine Waldflächen mehr gerodet werden. So sehen es die Schutzmaßnahmen von REDD+ vor - ein Programm der Vereinten Nationen, das Wälder schützen will, um mehr CO2 in den Hölzern gespeichert zu halten und somit den Klimawandel abzubremsen. „Etwa zehn Prozent der globalen Emissionen stammen von Rodungen. Diese Maßnahmen sind also wichtig für den Klimaschutz“, betont die Umweltwissenschaftlerin Julia Jones von der Bangor Universität.

Die Studie

Who bears the cost of forest conservation?, Peer J (5.7.2018)

Nomaden ohne Boden

Wie sie und ihre Kollegen aus Großbritannien und Madagaskar nun in einer aktuellen Studie zeigen, hat diese Form des Klimaschutzes ihren Preis. Den zahlt den Forschern zufolge derzeit die lokale Bevölkerung. Denn der Regenwald beherbergt nicht nur unzählige Tier- und Pflanzenarten, er ist auch Heimat für zehntausende Menschen. Jones schätzt ihre Zahl allein im Ankeniheny-Zahamena-Korridor auf 60.000. Sie bauen in den Wäldern ihre Lebensmittel wie Reis und Mais an und fällen dafür auch Bäume. Wenn der Boden unfruchtbar wird, ziehen sie weiter. Durch das Rodungsverbot wurde ihnen die Lebensgrundlage entzogen.

Forscherin in Madagaskar mit einer ansässigen Familie

S. Rakotonarivo

Co-Autorin Rina Mandimbiniaina bei Interview einer betroffenen Familie

Den Autoren zufolge verlieren die ärmsten Familien umgerechnet bis zu 85 Prozent ihres durchschnittlichen Einkommens. „Da diese Familien kein Geld wie Sie und ich verdienen, sondern hauptsächlich von ihrer Ernte und kleinen Verkäufen leben, haben wir ihren Ertrag in Geld umgerechnet, was sehr aufwendig war und viel Zeit in Anspruch genommen hat“, erläutert die Wissenschaftlerin. Zwar wissen sich viele Menschen zu helfen, um am Leben zu bleiben, die Bevölkerung braucht aber dringend Hilfe, fordert die Forscherin.

Zu wenig Geld, zu wenig Hilfe

Hilfe ist im Rahmen der REDD+ Klimaschutzmaßnahmen durchaus vorgesehen. „Kompensation bedeutet in diesem Fall nicht Geld. Vielmehr erhalten sie ein Training, bei dem sie neue, umweltfreundlichere Anbau- und Erntetechniken lernen, ohne dafür neue Waldflächen roden zu müssen.“ Wie Jones und ihre Kollegen feststellten, reicht das Budget aber nicht für alle. 3.000 Haushalte werden laut ihren Schätzungen nicht unterstützt. Das seien vor allem jene, die tiefer im Wald leben und schlechter zu erreichen sind. Sie zählen zu den Allerärmsten, so Jones.

Mit den Ergebnissen weisen die Forscherin und ihre Kollegen auf konkrete Defizite des REDD+ Programms hin. „Das Geld geht nicht durch Korruption oder Verschwendung verloren. Es ist einfach zu wenig.“ Vor allem reiche Länder sollten ihres Erachtens mehr für REDD+ Projekte zahlen. Schließlich sind auch diese Länder für den größten Teil der globalen Emissionen verantwortlich. Eine Möglichkeit der Finanzierung sieht die Britin in CO2-Steuern. „Letztlich zeigt unsere Studie: Bei diesen Maßnahmen muss man mehr darauf achten, alle Betroffenen zu erreichen und ihnen zu helfen. Immerhin profitieren wir alle davon.“

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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