Neue Biografie über Karl von Frisch

Obwohl er im „Dritten Reich“ zum „Vierteljuden“ wurde, ließ man den Bienenforscher Karl von Frisch weiterarbeiten. Wie es dazu kam, kann man in der neuen Biografie des Nobelpreisträgers nachlesen.

Karl von Frisch (1886-1982) erhielt 1973 gemeinsam mit Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen den Medizin-Nobelpreis. Sie wurden für „ihre Entdeckungen zur Organisation und Auslösung von individuellen und sozialen Verhaltensmustern“ gewürdigt. Von Frisch hatte in jahrelanger Arbeit die Sinneswahrnehmungen und die „Sprache“ der Bienen entschlüsselt und herausgefunden, wie sie mit ihren Rund- und Schwänzeltänzen Entfernungs- und Richtungshinweise für Futterquellen geben.

Buchhinweis

„Der Tanz der Bienen - Karl von Frisch und die Entdeckung der Bienensprache“ von Tania Munz. Czernin Verlag, ISBN: 9783707606485

Wie von Frisch zu „einem der innovativsten und erfolgreichsten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts“ wurde, zeichnet die US-Wissenschaftshistorikerin Tania Munz in der 2016 auf Englisch und nun auf Deutsch erschienenen Biografie „Der Tanz der Bienen“ minutiös nach: Seine Kindheit in Wien, seine frühe Liebe zur Natur und zu Tieren, das Familienrefugium in Brunnwinkl am Wolfgangsee, das sein Freiluft-Laboratorium werden sollte, seine Tätigkeit in München, wo er mit Hilfe der Rockefeller-Stiftung ein modernes Institutsgebäude erhielt. Munz folgt von Frischs wissenschaftlicher Karriere als er noch mit Fischen arbeitete, seiner Hinwendung zu den Bienen, seinen Experimenten von „eleganter Schlichtheit und überzeugender Logik“.

Wende zu kriegsrelevanter Forschung

Die Autorin zeichnet vor allem den beruflichen Alltag „eines der talentiertesten Wissenschaftler des 20. Jahrhunderts“ nach, dessen „Genie in vielerlei Hinsicht seine Obsession war“ - mit wissenschaftlichen Rückschläge, Zweifeln, Durchbrüchen, Anfeindungen und Debatten. Einen Schwerpunkt legt sie auf die Zeit des Nationalsozialismus und wie sich von Frisch „durch die erdrückende und oft beängstigende Nazi-Bürokratie navigierte“.

Die Geschichte des Verhaltensforschers widersetze sich dabei „einfachen Antworten“, schreibt sie. Schon früh war von Frisch mit Gerüchten und Anschuldigungen konfrontiert und wurde durch die Recherchen der Nationalsozialisten über seine Familiengeschichte praktisch über Nacht zum „Vierteljuden“. Dass sich der unpolitische von Frisch erfolgreich für im KZ Dachau inhaftierte Kollegen einsetzte und auch viele Juden an seinem Institut beschäftigte, war dabei sicher kein Vorteil. Angesichts der drohenden Entlassung suchte er Hilfe bei Freunden und Kollegen und verschob in der Hoffnung, seine Arbeit fortsetzen zu können, den Fokus seiner Forschung in eine praktische und daher kriegsrelevante Richtung - der Untersuchung des von Parasiten verursachten Bienensterbens. Munz nennt das eine „drastische Abkehr“ von seinen früheren Arbeiten, von Frisch habe seine Arbeiten „den Naziautoritäten angepriesen, um seinen Job zu retten“.

Flucht in die Arbeit

Dass er in der Lage war, „die Ausrichtung seiner Arbeit vollkommen umzugestalten, lässt angesichts extremen Drucks gewaltige persönliche und professionelle Ressourcen erkennen“, so Munz. Für sie ist es „schwierig, am Image eines Wissenschaftlers zu kratzen, der dem Horror, der ihn umgab, entfloh, indem er sich selbst in der Arbeit vergrub“. Und von Frisch habe „diese Tortur, die seine Arbeit gefährdete, von Beginn an als einen Test - seiner Nervenkraft ebenso wie seines funktionierenden Netzwerks“ betrachtet.

Obwohl sich Munz jahrelang in Leben und Werk von Frischs vertieft hat, erfährt man in der Biografie abgesehen von diesen Passagen nur wenig über den Menschen Karl von Frisch, worüber er lachte, ob er Zeit hatte mit seinen Kindern zu spielen, oder wie es dem Starforscher im Alter ging. Klar kommt heraus, dass er unglaublich diszipliniert und fleißig gewesen sein muss, mit um halb fünf Uhr Früh beginnenden und streng durchstrukturierten Arbeitstagen. Und offensichtlich war er kein abgehobener Forscher, sondern durch seine populärwissenschaftlichen Bücher, Vorträge und Filme einer breiten Bevölkerung bekannt.

science.ORFat/APA

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