Mit den Augen einer Wildeselin

In der Wüste Gobi leben Khulan-Wildesel abgeschieden und fern von menschlicher Aufmerksamkeit. Mit einem Kamerahalsband ließ eine Wiener Wildtierforscherin nun eine Stute ein Jahr lang ihr Leben in der weitläufigen Ödnis dokumentieren. Nun hat sie die Bilder veröffentlicht.

Die Khulans (Equus hemionus) sind asiatische Wildesel, die tausende von Quadratkilometern durchwandern und in der Wüste Gobi im Süden der Mongolei ihr weltweit größtes Vorkommen haben. Ihre große Mobilität, die Abgeschiedenheit ihres Lebensraums, und dessen Unwirtlichkeit machen eine wissenschaftliche Untersuchung der Tiere schwierig. Die Wiener Wildtierforscherin Petra Kaczensky vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinische Universität Wien und Kollegen statteten eine Stute mit einem Kamerahalsband mit Satellitenortungssender (GPS) aus. Sie tauften die Eselin „Naran“, was auf Mongolisch „Sonne“ heißt.

Die Khulan-Stute "Naran" fotografiert einen Artgenossen

PLOS ONE, 2019 Kaczensky et al.

Die Khulan-Stute „Naran“ fotografiert einen Artgenossen

„Narans“ Kamera dokumentierte für die Forscher mit 7.881 Fotos ein Jahr lang das Leben im Trockengebiet aus der Sicht der Stute. Sie zeigen zum Beispiel große Zusammenkünfte der Khulans. „Sie leben nicht wie Pferde in stabilen, haremsartigen Gruppen, sondern kommen manchmal zu riesigen Herden von tausenden Tieren zusammen“, erklärt Kaczensky im Gespräch mit der APA.

Nur mit Satellitensendern könne man nicht beobachten, ob ein Tier gerade alleine oder mit vielen anderen vereint ist. Durch die Kamera bekomme man eine bessere Vorstellung, an welchen Orten die Tiere zusammenkommen und könne so die Gebiete in der Gobi identifizieren, die besonders wichtig für die Khulans sind. Diese gilt es besonders zu schützen, betont Kaczensky. Durch den menschlichen Einfluss sind nämlich die Ökosysteme in der Gobi bedroht, inklusive der Wildesel.

Khulans weichen Menschen aus

Offensichtlich sind die Khulans sehr darauf bedacht, ein Zusammentreffen mit Menschen zu verhindern. Kein einziges der Fotos von „Narans“ Kamera zeigt einen Hirten oder andere Leute, obwohl sich die Khulans ihren Lebensraum mit den Nomaden teilen, so Kaczensky. Es gebe lediglich zwei bis drei Schnappschüsse von Schafen und Ziegen. „Das spricht dafür, dass die Khulans den Leuten wirklich ausweichen“, sagte die Forscherin. Sie reagieren also sehr sensibel auf die Gegenwart von Menschen.

Die Khulan-Stute "Naran" fotografiert sich selbst beim Stehen

PLOS ONE, 2019 Kaczensky et al.

Die Khulan-Stute „Naran“ fotografiert sich selbst beim Stehen

Außerdem konnten die Forscher anhand von „Narans“ Aufnahmen Wasserstellen identifizieren. „Auf Satellitenbildern ist es zum Beispiel schwierig, Wasser zu finden, oft handelt es sich nur um kleine Löcher, die teilweise durch Sand abgedeckt sind, und das Gebiet ist riesig“, erklärt sie. Die Wildesel graben jedoch in trockenen Flussbetten danach und „Narans“ Kamera machte Fotos, wo sie das getan und tatsächlich Wasser gefunden und getrunken haben.

„Aufgrund des Erfolgs unseres Pilotprojekts könnte der Einsatz von Kamerahalsbändern bei Tieren in abgelegenen, sehr variablen Ökosystemen für Forschungs- und Erhaltungszwecke einen großen Mehrwert bringen“, so Sanchir Khaliun von der Nationalen Universität der Mongolei. Damit könne man auch das Leben der Tiere einer breiten Öffentlichkeit zeigen, um ihr Bewusstsein für Natur- und Artenschutz zu schärfen, meinte Kaczensky. Deshalb habe man auch einen Teil der Bilder als Storymap im Internet veröffentlicht.

science.ORF.at/APA

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