Was an Psychotests nicht stimmt

Wer selbstsicher ist und offen für neue Ideen, hat laut Theorie bessere Chancen auf einen Job: Ökonomen verwenden deshalb seit Langem Persönlichkeitstests, die Eigenschaften wie diese messen. Doch sie funktionieren laut neuer Studie nur in westlichen Industrieländern.

In Schwellen- und Entwicklungsländern hingegen sind sie „weder passend noch zuverlässig“, sagt die Studienleiterin Karen Macours (Paris School of Economics) gegenüber science.ORF.at.

„Big Five“ der Persönlichkeit

Das Modell beurteilt Personen in fünf Dimensionen:

  • Gewissenhaftigkeit: Ist die Person organisiert und an guten Leistungen orientiert?
  • Offenheit: Wie offen ist die Person für neue Ideen?
  • Extrovertiertheit: Ist die Person gesprächig und geht gerne aus sich heraus?
  • Verträglichkeit: Vertraut die Person anderen und ist freundlich statt skeptisch?
  • Emotionale Stabilität: Ist die Person unerschrocken und selbstsicher?

Der Persönlichkeitstest misst die „Big Five“ – die fünf grundlegenden Charaktereigenschaften. Das Modell kommt aus den USA und wird weltweit von der Psychologie genutzt. Die Tests sind zumeist teuer, es gibt aber auch Online-Varianten, die kostenlos und selbstständig gemacht werden können. Sie ähneln Psychotests aus einer Klatschzeitschrift, nur mit mehr Fragen – von „wie zuverlässig halten Sie sich?“ bis „wie leicht freunden Sie sich mit anderen an?“.

Auch Ökonomen und Ökonominnen arbeiten damit. Laut Theorie hängen nämlich persönliche Eigenschaften und wirtschaftliche Erfolge zusammen. Wer aufgeschlossen und unerschrocken ist, hat zum Beispiel in der Regel bessere Chancen am Arbeitsmarkt. Da wird’s für die Ökonomen interessant. Sie verwenden die Persönlichkeitstests, um damit Vorhersagen zu machen und sogar Politiker zu beraten. Doch Karen Macours und ihr Team haben jetzt herausgefunden, dass es sinnlos ist, die Tests überall anzuwenden.

Funktioniert nur für die „WEIRD-Gruppe“

Schon 2010 hat der kanadische Anthropologe Joseph Henrich Alarm geschlagen, weil 90 Prozent aller psychologischen Studien mit Probanden aus westlichen Industrieländern durchgeführt werden. Er schuf den zweideutigen Begriff „WEIRD“ (eine Abkürzung von: westlich, gebildet/educated, industrialisiert, reich, demokratisch) für diese Testgruppen und erklärte, warum von ihnen keinesfalls auf die ganze Welt geschlossen werden sollte.

Die „WEIRD-Gruppe“ mache nämlich nur zwölf Prozent der Weltbevölkerung aus. Henrich nannte sie in seinem Fachartikel die „am wenigsten repräsentative Population, um Menschen zu verallgemeinern“. Genau mit solchen Testgruppen ist aber die „Big Five“-Theorie in den 1980er-Jahren entstanden.

Ergebnis hängt von Art der Befragung ab

Wie übertragbar das Modell in Nicht-WEIRD-Ländern ist, wurde noch nicht genau analysiert. Erst jetzt haben Macours und Kollegen 29 Big Five-Befragungen untersucht, die es schon gab. Sie stammen aus 23 Niedrig- und Mittellohnländern, zum Beispiel Ghana, Kolumbien, Serbien und Sri Lanka. Das Ergebnis: Die Tests sind für diese Länder nicht geeignet.

Warum, ist nicht einfach zu beantworten. Entscheidend ist unter anderem, wie die Fragen formuliert sind, aber auch, warum die Leute den Fragebogen ausfüllen. In der Studie wurden persönliche Befragungen ausgewertet, aber auch Online-Tests. Wer online einen Persönlichkeitstest ausfüllt, macht das, weil es ihn wirklich interessiert, vermuten die Forscher. Das seien außerdem Menschen, die der WEIRD-Gruppe ähnelten, also zum Beispiel gut gebildet waren. Bei den persönlichen Interviews hingegen seien die Gruppen gemischt gewesen. Allerdings vermuten die Forscher da ein anderes Problem: Die persönliche Gesprächsform kann beeinflussen, so Karen Macours. Sie verleite die Befragten dazu, sozial erwünschtere Antworten zu liefern.

Vorschläge zur Verbesserung

Es ist zudem möglich, dass die Persönlichkeit in manchen Ländern weniger entscheidend ist für den Erfolg einer Person. Das kann die Studie nicht beantworten. Trotzdem wird die „Big Five“-Methode meistens unverändert weltweit für ökonomische Fragen verwendet. Vor allem, wenn politische Entscheidungen aus den Tests folgen, halten die Studienautoren das für sehr bedenklich.

„Diese Methoden werden immer öfter verwendet, um Politik zu machen“, sagt Karen Macours – und warnt davor. Der Vorschlag ihres Teams: Die Fragebögen sollten an die Situation verschiedener Länder angepasst, die Fragesteller besser ausgebildet oder im besten Fall durch Selbsttests ersetzt werden.

Marie Eickhoff, science.ORF.at

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