Kinder gesundheitlich am stärksten betroffen

Die Klimaerwärmung wird das Leben auf der Erde verändern. Betroffen sind nicht nur Ernten, Wirtschaft und Migration. Groß sind auch die Auswirkungen auf die Gesundheit - vor allem bei Kindern, warnen rund 100 Forscher und Forscherinnen in einem umfassenden Bericht.

Bei einem Weiterwirtschaften wie bisher „wird das Leben jedes heute geborenen Kindes tiefgreifend vom Klimawandel beeinträchtigt werden“, berichtet das Konsortium „The Lancet Countdown“, zu dem rund 100 Experten und Expertinnen gehören.

Einen halben Monat vor der UNO-Klimakonferenz in Madrid bilanzieren die Experten aus 35 Institutionen wie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Universitäten im Fachjournal „The Lancet“ die aktuellen und künftigen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit. Gehe der CO2-Ausstoß weiter wie bisher, werde ein derzeit geborenes Kind an seinem 71. Geburtstag im Schnitt in einer um vier Grad wärmeren Welt leben.

Bedingungen für Krankheiten werden „besser“

Kinder seien von den Auswirkungen des Klimawandels am stärksten betroffen, betonte Nick Watts, der Chef des „Lancet“-Konsortiums. Ihr Körper und ihr Immunsystem entwickeln sich noch und Schäden in der Kindheit könnten bleiben. Auch Ernterückgänge durch den Klimawandel und infolgedessen Unterernährung träfen sie am schlimmsten, schreiben die Forscher.

Sie litten stärker an Durchfall und an von Mücken übertragenen Erkrankungen wie Dengue. Neun von zehn Jahren mit besten Bedingungen für Dengue-Mücken gab es laut Bericht seit dem Jahr 2000. Auch die Bedingungen für den Cholera-Erreger hätten sich seit Anfang der 80er Jahre verbessert.

Eine Gruppe von Bakterien, die Vibrionen, werde eine zunehmende Gefahr, auch in der Ostsee, heißt es in dem „Lancet“-Bericht. Die Erreger können Magen-Darm- und Wundinfektionen verursachen. Seit den 1980er Jahren habe sich aufgrund höherer Wassertemperaturen die Anzahl der Tage verdoppelt, an denen man sich mit Vibrionen in der Ostsee anstecken kann. 2018 waren es 107 Tage.

„Lancet“-Video zum Bericht:

„Nie dagewesene Herausforderung“

Würden die Erderwärmung dagegen auf 1,5 Grad begrenzt - wie im Pariser Klimaabkommen gewünscht - und Versprechen der Länder eingehalten, sehe es anders aus, so die Forscher. Ein Kind in England könnte dann mit sechs Jahren den Kohleausstieg erleben, in Frankreich mit 21 Jahren den Abschied von Benzin- und Dieselautos und alle heute Geborenen weltweit könnten mit 31 Jahren erleben, dass nur noch so viel CO2 produziert wird, wie von der Natur oder mit technischen Mitteln aufgenommen werden kann. Zugleich könnte die Luft reiner und die Infrastruktur besser sein.

„Eine nie dagewesene Herausforderung verlangt eine nie dagewesene Reaktion und es benötigt die Mitarbeit der 7,5 Milliarden derzeit lebenden Menschen, um sicherzustellen, dass ein heute geborenes Kind nicht durch ein sich wandelndes Klima bestimmt wird“, betonen die Autoren.

Millionen Tote wegen verschmutzter Luft

Die Luftverschmutzung insgesamt habe 2016 weltweit zu sieben Millionen Todesfällen geführt, 2,9 Millionen davon habe Feinstaub verursacht. Weitere Daten aus dem Bericht:

  • Menschen in 77 Prozent der Länder haben zunehmend mit Waldbränden und ähnlichen Feuern zu kämpfen.
  • Temperatursteigerung und Hitzewellen führten 2018 zu einem Verlust von 133,6 Milliarden Arbeitsstunden. Tendenz steigend.

Die Autoren haben vier Kernforderungen:

  • Eine schnelle und komplette Abkehr vom Kohlestrom weltweit.
  • Eine Sicherheit dafür, dass die reichen Staaten wie bereits zugesagt den ärmeren ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimaunterstützung geben.
  • Den öffentlichen Verkehr sowie das Gehen und Radfahren zu fördern, etwa mit mehr Radwegen.
  • In Gesundheitssysteme investieren, damit sie durch die Erderwärmung geschädigten Menschen helfen können und nicht zusammenbrechen.

science.ORF.at/dpa

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