Männer „verkaufen“ Studien besser als Frauen

Eigenlob bringt’s, auch in der Wissenschaft: Laut einer neuen Studie beschreiben Männer die Ergebnisse ihrer Forschung positiver als Frauen. Die Folge: Studien von Männern werden häufiger zitiert und eher anerkannt.

Der Wirtschaftswissenschaftler Marc Lerchenmüller von der Universität Mannheim hat gemeinsam mit seinen Kollegen mehr als sechs Millionen Abstracts aus Medizin und Naturwissenschaften untersucht. Das Ergebnis: „Frauen schmücken sich im Verhältnis zu Männern weniger oft mit positiven Adjektiven.“

13 Prozent mehr Zitate

Die Forscher erstellten eine Liste mit 25 positiven Wörtern, von „einzigartig“ und „vielversprechend“ über „exzellent“ und „bemerkenswert“ bis hin zu „bahnbrechend“ und „neuartig“. Dann analysierten sie, ob diese Wörter in Abstracts vorkommen und ob diese Studien einen männlichen oder weiblichen Hauptautor haben. Das im „British Medical Journal“ veröffentlichte Ergebnis: Männer benutzen positiv besetzte Wörter eindeutig häufiger als Frauen (siehe Grafik). Am stärksten ausgeprägt ist der Unterschied zwischen Männer- und Frauensprache in Abstracts, die in besonders renommierten Journals erschienen sind.

Die häufigsten Eigenlob-Begriffe und wie Männer und Frauen sie verwenden

Marc Lerchenmüller et al./British Medical Journal

„Männer betonen gerne die Neuartigkeit ihrer Forschung, verwenden aber auch viele Wörter dazu, die Vertrauenswürdigkeit zu unterstreichen. Da wird dann häufig von einem ‚robusten Ergebnis‘ gesprochen“, so Lerchenmüller im Interview mit Ö1. Frauen hingegen verwenden das Wort „supportive“ häufiger als Männer. Diese Unterschiede haben Folgen, wie die Forscher belegen: Studien mit Eigenlob im Abstract werden um 13 Prozent häufiger zitiert – auch hier wird der Unterschied größer, je angesehener das publizierende Journal ist.

Eines haben die Forscher in ihrer Studie ausgeschlossen: Dass Frauen grundsätzlich nicht so neuartige, bahnbrechende Untersuchungen machen wie ihre männlichen Kollegen. „Dafür haben wir keine Evidenz gefunden“, so Lerchenmüller, „es bleiben nur die Unterschiede in der Sprache, die weniger Zitate und eine geringere Verbreitung begründen.“

Viele Publikationen fördern Eigenlob

Aber warum bewerten Frauen ihre Leistungen zurückhaltender als Männer? Diese Frage wurde in der aktuellen Studie nicht untersucht, Marc Lerchenmüller formuliert auf Basis früherer Forschung aber eine Hypothese: „Von Frauen wird gesellschaftlich zurückhaltenderes Verhalten erwartet als von Männern. Sie sollen ihre Karriere weniger aggressiv verfolgen. Wenn sie gegen diese Stereotypen verstoßen, fällt das oft negativ auf sie zurück.“ Eine andere Möglichkeit: Reviewer könnten bei Frauen positive Wertungen in ihren Abstracts eher streichen, weil sie sie als unangemessen wahrnehmen.

Ö1 Sendungshinweis:

Über das Thema berichtete auch Wissen Aktuell am 23.1.2020 um 13.55 Uhr.

Das „British Medical Journal“ hinterfragt in einem die Studie begleitenden Editorial, ob die wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu sehr auf Schlagwörter wie „neuartig“ oder „bahnbrechend“ fokussieren und danach ihre Auswahl treffen.

Marc Lerchenmueller hofft jedenfalls auf mehr Bewusstsein im Wissenschaftsbetrieb, wie sehr subjektive Beschreibungen die Wahrnehmung in der Community prägen: „Allein in den Untersuchungsjahren 2002-2017 hat sich die Zahl der veröffentlichten Studien in den Life Sciences mehr als verdreifacht. Die Menschen suchen nach Möglichkeiten, ihre Untersuchung hervorzuheben – dabei sind Frauen offenbar zurückhaltender als Männer.“ Übrigens: Die drei (männlichen) Autoren der aktuellen Studie sind in ihrem Abstract ohne Eigenlob ausgekommen.

Elke Ziegler, Ö1-Wissenschaft

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