„Hen“ verringert Vorurteile

Seit 2015 findet sich im offiziellen schwedischen Wörterbuch ein neutrales Pronomen. „Hen“ soll für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft sorgen. Laut aktuellen Experimenten kann es tatsächlich Vorurteile verringern und Einstellungen verändern.

Seit Jahrzehnten ist es ein Thema, aber im Alltag fällt es vielen noch immer schwer: geschlechtersensibel zu formulieren. Es erscheint umständlich und wie wirksam es ist, blieb umstritten. Befürworter sind überzeugt, dass es tatsächlich einen Unterschied macht, wenn man z.B. auch von „Chefinnen“ und nicht nur von „Chefs“ spricht. Frauen werden sichtbarer und unbewusste Vorurteile aufgeweicht.

Etwas weniger umständlich ist oder besser wäre es, wenn es neutrale Ausdrücke gäbe, die nicht automatisch einem Geschlecht zugeordnet werden. Außerdem wären damit auch jene „mitgemeint“, die sich weder als Frau noch als Mann fühlen oder in anderer Hinsicht von der Norm abweichen.

Andere Bilder im Kopf

Einen Schritt in diese Richtung ist man vor vier Jahren in Schweden gegangen. Man hat neben den Pronomen „er“ und „sie“ („han“ und „hon“) eine dritte neutrale Variante („hen“) offiziell eingeführt. Sie kommt dann zum Einsatz, wenn das Geschlecht egal oder unbekannt ist oder für Personen, die weder als Mann noch als Frau bezeichnet werden wollen.

Der Einführung war eine jahrelange Debatte vorangegangen. Mittlerweile sei das neutrale Fürwort weitgehend akzeptiert und werde auch in allen Medien verwendet, schreiben Margit Tavits von der Washington University in St. Louis und Efrén O. Pérez von der University of California in ihrer aktuellen Studie. Darin haben sie am Beispiel von „hen“ untersucht, ob eine solche neutrale Formulierung wirklich Einstellungen bzw. Vorurteile in den Köpfen der Menschen verändern und in weiterer Folge die Gerechtigkeit im öffentlichen Leben befördern kann.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 6.8., 13:55 Uhr.

Überprüft wurde das in drei Teilstudien mit insgesamt mehr als 3.000 Menschen aus unterschiedlichen Hintergründen. Tavits und Pérez gaben vor, den Zusammenhang von visueller Wahrnehmung, Leseverständnis und politischen Einstellungen zu untersuchen. Sie ließen die Probandinnen und Probanden in einem ersten Schritt eine Grafik beschreiben, die eine androgyne Person und ihren Hund zeigt. Welches Pronomen sie verwenden sollten, war dabei vorgeschrieben: „han“, „hon“ oder „hen“. In der nächsten Aufgabe ging es darum, eine fiktive Geschichte über eine politische Person fortzusetzen und einen Namen für diese zu finden. Außerdem wurden mit verschiedenen Befragungsmethoden die Einstellungen gegenüber Frauen oder LGBT-Personen und ihre Bedeutung in der Gesellschaft erhoben.

Nicht nur männliche Helden

Ergebnis: Deutlich mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die das neutrale bzw. das weibliche Pronomen verwenden mussten, dachten sich einen weiblichen oder neutralen Namen für die fiktive Figur aus. Nach der Verwendung des männlichen Pronomens folgte hingegen fast immer ein männlicher Name.

Und auch bei den Einstellungen scheinen die Pronomen einen Einfluss zu haben. Nach neutralen und weiblichen zeigten die Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen mehr Offenheit gegenüber Frauen und Toleranz gegenüber Menschen mit anderen sexuellen Orientierungen. Laut Tavits und Pérez könnte es natürlich auch sein, dass sich die teilnehmenden Personen, die „hen“ verwenden mussten, eher so verhielten, wie es sozial erwünscht wäre. Das wurde in einer größeren Stichprobe zusätzlich abgetestet und ließ sich ausschließen.

Für Tavits und Pérez ist die Studie eine Bestätigung dafür, dass selbst so kleine sprachliche Neuerungen Bewusstsein schaffen, Vorurteile verringern und so die Gesellschaft verändern können.

Eva Obermüller, science.ORF.at

Mehr zum Thema