Das war die ESA-Bürgerdebatte

2.000 Bürger und Bürgerinnen in 22 Ländern Europas, darunter auch Österreich: Sie durften am Wochenende - zum ersten Mal - bei der künftigen Weltraumstrategie der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA mitreden.

Haus der Forschung, Wien. Es war ein straffer Zeitplan, unter dem am Samstag 56 Bürgerinnen und Bürger einen Tag lang diskutierten. „Ich bitte Sie, sich an die Redezeiten zu halten, damit wir die fünf Blöcke gemeinsam durcharbeiten können. Eigentlich bräuchten wir dafür ein zweitägiges Seminar“, verlautbarte der Veranstalter Roland Pohoryles von der ICCR Foundation eingangs. Damit auch jeder zu Wort kam, wurden die Debatten in Kleingruppen geführt und von Moderatoren geleitet.

Veranstaltung

Die ESA Bürgerdebatte fand am 10. September in den 22 Mitgliedsnationen der ESA statt. In Wien wurde sie von der ICCR Foundation organisiert.

Zwischen 30 und 60 Minuten hatten die Teilnehmer Zeit, jeden einzelnen Bereich zu besprechen und die vorbereiteten Fragebögen auszufüllen – diese enthielten vorgegebene Antwortmöglichkeiten ebenso wie offene Fragen, wie: „Was ist Raumfahrt?“ oder „Was sind die Erfolge der ESA?“. Einigen fiel hier sofort die Rosetta-Mission ein, andere dachten an den Marsexpress oder einfach daran, dass die ESA als staatenübergreifende Weltraumorganisation selbst ihr größter Erfolg sei.

Nicht der Querschnitt Österreichs

Eigentlich sollten die Teilnehmer der ESA Bürgerdebatte den Querschnitt Österreichs repräsentieren - wir haben darüber bereits berichtet. Das ist nicht ganz gelungen. Zum einen kamen wesentlich mehr Männer als Frauen. Darüber hinaus waren viele Hobbyastronomen und Weltraumexperten dabei - einige studierten Physik, beteiligen sich in ihrer Freizeit an Astronomieprojekten oder lesen alles zum Thema Weltraum.

Teilnehmer der ESA-Bürgerkonferenz beim Diskutieren

ORF - Ruth Hutsteiner

Teilnehmer der ESA-Bürgerdebatte

Es wagten sich aber auch Neugierige zur Bürgerdebatte, die mit dem Thema nicht viel am Hut hatten. So zum Beispiel eine junge Ukrainerin, die seit drei Jahren in Wien lebt und studiert: „Ich kann nicht so mitreden. Aber für mich ist es eine interessante Möglichkeit, hier etwas zu lernen.“

Schürfrechte und Weltraumschrott

Noch vor dem Mittagessen wurden die Themen komplexer - wer darf beispielsweise kosmische Ressourcen wie Nickel oder Platin auf Asteroiden oder Rohstoffe am Mond schürfen? „Ich als Naturwissenschaftlerin bin dafür, dass das niemandem gehört und es vor allem der Forschung zur Verfügung steht. Auf unserem Tisch gab es aber jemanden, der das eher wirtschaftlich und kommerziell betrachtet“, berichtete eine Physikerin aus ihrer Arbeitsgruppe.

Ö1 Sendungshinweis

Diesem Thema widmet sich auch ein Beitrag in der Sendung „Wissen aktuell“ am 12.9. um 13:55.

Herausfordernd war es für viele, die Frage nach der Verantwortlichkeit für überflüssig gewordene Satelliten in der Erdumlaufbahn zu beantworten: „Was willst du machen, willst du jetzt eine Weltraumpolizei einführen, die das alles überwacht?“, hieß es an einem Tisch. „Nein gar nicht. Aber die Frage ist halt, welcher Staat im Weltraum zuständig ist – das ist kaum zu beantworten“, wendete ein anderer ein. „Die, die es hinaufbringen, sind auch dafür verantwortlich, dass der Weltraummüll wieder runter kommt“, meinte schließlich ein junger Student. „Ja, aber wer setzt es durch, wenn sich der Staat weigert – die UNO hat kaum Handlungsmöglichkeiten, um ein Land dazu zu zwingen“, entgegnete der zweite.

Visionen der Bürger

Schließlich ging es am Nachmittag um die Zukunft der ESA-Raumfahrt. Auf Nachfrage, wie sich die Teilnehmer diese vorstellen bzw. was sich künftig ändern soll, hatten einige unterschiedliche Vorstellungen: „Ich möchte die ESA dazu auffordern, viel mehr Werbung in Schulen zu machen, da diese Generationen entscheiden werden, wie es mit der Organisation weitergeht“, so ein HTL-Lehrer aus Kärnten, der den Freigegenstand „Astrophysik“ unterrichtet. Darüber hinaus erhoffte er sich Antworten auf fundamentale Fragen, wie: „Wo kommen wir her oder wie entwickelt sich das Weltall weiter?“ Von bemannter Raumfahrt hielt er allerdings wenig.

Das sah eine junge Verlagsmitarbeiterin und Hobbyastronomin wieder ganz anders: „Man kann so viel über den menschlichen Körper und physikalische Gesetze lernen, außerdem macht es einen Unterschied, ob Menschen auf den Planeten blicken oder nur Maschinen.“ Mehr Bildung und Förderung in Sachen Weltraum forderte aber auch sie.

„Eine globale Weltraumorganisation“

Ein weiteres Ziel, das immer wieder in den Diskussionen auftauchte, war die internationale Zusammenarbeit der Staaten, manche äußerten sogar den Wunsch nach einer globalen Weltraumorganisation: „Die Zusammenarbeit zu stärken, ist das allerwichtigste. Es soll eben nicht jeder sein eigenes Suppal kochen und sinnlos Ressourcen verschwenden“, so ein Physikstudent von der TU Wien.

Ein Resultat gab es am Ende des Tages nicht. Die beantworteten Fragebögen wurden aus den einzelnen Ländern nach Paris gesandt, wo sie in den nächsten Tagen ausgewertet werden. Die Fragen und Antwortmöglichkeiten waren in allen 22 Mitgliedsnationen gleich. Wie viel von den Vorstellungen und Anregungen in die Weltraumstrategie einfließen werden, bleibt noch offen. Die Ergebnisse der Bürgerdebatte werden in jedem Fall auf der ESA Homepage veröffentlicht.

Ruth Hutsteiner, science.ORF.at

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