„Urururenkel“ der Quantenphysik

Seit ihn „Nature“ unter die zehn einflussreichsten Forscher des Jahres 2017 reihte, wird der Physiker Jian-Wei Pan manchmal als „Vater der Quanten“ bezeichnet. Der einstige Schüler Anton Zeilingers, der kürzlich zu Gast in Wien war, sieht sich aber eher als „Urururenkel“.

„Ziemlich nervös“ sei er angesichts des besagten „Nature“-Beitrags geworden, so der Quantenphysiker, dessen Arbeit es u.a. möglich machte, dass 2017 der Quantenphysiker und Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Anton Zeilinger, mit seinem chinesischen Amtskollegen Chunli Bai erstmals quantenverschlüsselt videotelefonieren konnten. Die wahren „Väter der Quanten“ seien Max Planck, Albert Einstein, Niels Bohr, Erwin Schrödinger, Werner Heisenberg und andere, so der Wissenschaftler, der vergangene Woche auf Einladung der ÖAW und Universität Wien eine „Erwin Schrödinger-Lecture“ hielt.

Mit Schrödinger komme nicht nur einer der Begründer der Quantenmechanik aus Österreich. Das kleine Land zähle auch „aktuell einige weltweit führende Forschungsgruppen in der Quanteninformation und -optik in Wien und Innsbruck“, so Jian-Wei Pan, der an beiden heimischen Hauptstandorten in dem Gebiet gearbeitet hat: „Das ist der Ort, an dem meine akademische Karriere begann“. Der nunmehrige Vizepräsident der University of Science and Technology of China bezeichnet die seit Jahren etablierte Kooperation zwischen China und Österreich daher auch als „sehr gut“ und „unkompliziert“.

Noch sehr viel Unbekanntes

Insgesamt werde die Wissenschaft in China immer stärker in der Welt wahrgenommen und „auch die chinesische Wissenschaftsgemeinde ist sehr offen“. Pan, der 2016 den ersten Quantenkommunikationssatelliten „Micius“ ins All gebracht und damit auch neue Weitenrekorde in der Quantenverschränkung aufgestellt hat, betonte auch, dass das aufsehenerregende Vorhaben komplett „ohne militärische Förderung“ umgesetzt wurde. Im Gegensatz zu den USA, wo signifikante Mittel für die Raumfahrt vom Verteidigungsministerium kommen, würden die meisten einschlägigen chinesischen Programme von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften finanziert. Das ermögliche es auch Forschern weltweit und eben auch aus kleineren Ländern wie Österreich an den Programmen teilzunehmen.

Obwohl in den vergangenen Jahren aus teils bizarren quantenphysikalischen Phänomenen wie der Verschränkung, bei der Teilchen über beliebig große Distanzen miteinander verbunden bleiben, mitunter handfeste technologische Anwendungen wurden, „gibt es in dieser Welt noch sehr viel Unbekanntes zu entdecken“, zeigte sich Pan überzeugt. Gerade die auf der Verschränkung beruhenden Zugänge lassen ihn an vielfältige Anwendungen denken: „Mit einem globalen Quantenkommunikationsnetzwerk und der Quantenteleportation könnte man beispielsweise im Prinzip alle Teleskope der Welt verbinden, um so ultrahoch aufgelöste Bilder zu bekommen.“ Gleiches gelte für Atomuhren, die derart verbunden noch stabiler laufen könnten.

Den viel beschworenen Quantencomputer sieht Pan jedoch nicht unbedingt in absehbarer Zeit in chinesischen oder österreichischen Wohnzimmern oder Büros stehen: „Ich glaube, das wird noch ein paar Jahrzehnte dauern.“ Erste Anwendungen des Quanteninternets und quantenverschlüsselter Kommunikation - wie in dem Gespräch zwischen Zeilinger und Chunli Bai bereits gezeigt - „werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren breit verfügbar sein“. In rund zehn Jahren erwartet der Physiker auch den großflächigeren Einsatz von Sensoren auf Quanten-Basis und Quantensimulationen.

science.ORF.at/APA

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