Herpesviren als Auslöser von Alzheimer?

Was Alzheimer auslöst, ist noch immer unklar. Manche Forscher vermuten, dass Infektionen die Krankheit verursachen oder zumindest beschleunigen. Einige neuere Studien legen nun tatsächlich einen Zusammenhang zwischen Herpesviren und Alzheimer nahe.

Eine Analyse von Gesundheitsdaten in Taiwan zeigt beispielsweise, dass Menschen mit einer klinischen Herpesinfektion ein zweieinhalbmal so hohes Risiko haben, an Demenz zu erkranken. Konkret handelte es sich dabei um Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus vom Typ 1 (HSV-1), den viele mit Bläschen auf der Lippe oder im Genitalbereich verbinden. Außerdem zeigte die Studie, dass Menschen, die im Beobachtungszeitraum (2000 - 2010) mit einem Herpes-Medikament behandelt wurden, wiederum ein deutlich kleineres Demenz-Risiko hatten.

Hinweise häufen sich

Diese und andere Studien fasst eine Neurowissenschaftlerin von der Universität Manchester aktuell im Journal Frontiers zusammen. Aus ihrer Sicht belegen diese, dass Herpesviren die Ursache von Alzheimer sind.

Die Zusammenhänge seien zwar interessant, meint dazu Reinhold Schmidt von der Medizinischen Universität Graz: „Leider lassen sie keine Schlüsse im Hinblick auf Kausalität zu.“ Er kritisiert an der Studie in Taiwan unter anderem, dass man vor allem Menschen mit und ohne Bläschen verglichen hat. Grundsätzlich tragen aber viele den Herpes-simplex-Virus vom Typ 1 in sich. Nicht alle aber bekommen Bläschen.

Es gibt aber noch andere Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Alzheimer und Herpesviren. Erst vor Kurzem veröffentlichten Forscher im Fachjournal „Neuron“ eine entsprechende Studie. Sie hatten in Gehirnen von verstorbenen Alzheimerpatienten vermehrt Herpesviren entdeckt. Allerdings in diesem Fall weniger Herpes-simplex-Viren vom Typ 1, sondern humane Herpesviren der Gruppe sechs und sieben. Anscheinend ist der Zusammenhang nicht so eindeutig an einem einzigen Virustyp festzumachen. Deshalb argumentieren einige Forscher, dass die Viren vermutlich nur einer von vielen Faktoren sind. Dafür spricht letztlich auch, dass fast alle Menschen mit den Herpesvieren 6 und 7 infiziert sind, aber nur ein Bruchteil davon an Alzheimer erkrankt, wie etwa auch die Ärztezeitung schreibt.

Einfache Behandlung

Wenn Herpesviren tatsächlich etwas mit der Entstehung von Alzheimer zu tun hätten, gäbe es plötzlich relativ einfache Behandlungsmöglichkeiten: Man könnte die Krankheit mit herkömmlichen Herpesmedikamenten behandeln oder zumindest verzögern. Auch ein Impfstoff wäre denkbar. Aktuell gibt es eine Therapiestudie, die eine solche Behandlung konkret untersucht. Wie Reinhold Schmidt erklärt, bekommen dabei 130 Patientinnen und Patienten über 78 Wochen das Herpesmedikament Valacyclovir. Wie sich das auf ihre kognitive Leistungen auswirkt, wird sich zeigen.

Ruth Hutsteiner, Ö1-Wissenschaft

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