Testflug des „Starliner“ fehlgeschlagen

Seit dem Ende der Shuttle-Ära sind die USA auf Russland angewiesen, wenn sie Astronauten zur Raumstation ISS schicken wollen. Die Weltraumkapsel „Starliner“ soll das ändern. Der Start zum heutigen Testflug ist zwar geglückt, aber dann es gab Probleme.

Nach ihrem Start vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral schlug „Starliner“ am Freitag nicht den richtigen Kurs zur Internationalen Raumstation ISS ein, wie Boeing und die NASA mitteilten.

Daher werde die unbemannte Kapsel die ISS nicht erreichen. Eigentlich hätte der Testflug acht Tage dauern sollen. Der gescheiterte Test ist ein Rückschlag für die Bemühungen der USA, bei bemannten Raumfahrtmissionen von russischen Sojus-Raketen unabhängig zu werden.

Suche nach Namen

Beim Namen hat „Starliner“-Produzent Boeing ganz unbescheiden in die oberste Schublade gegriffen: ein Raumschiff, das zu den Sternen fliegt. Oder? “Naja, ich würde nicht unbedingt behaupten, dass wir zu den Sternen fliegen - aber mit Sicherheit werden wir mit dem ‚Starliner‘ aufbrechen zu Welten, wo noch nicht viele Menschen gewesen sind.“ Bis 2012 war Chris Ferguson Astronaut in Diensten der US-Weltraumbehörde NASA. Danach ist er zum Luft- und Raumfahrtkonzern Boeing gewechselt. Dort hat er das neue private Raumschiff „Starliner“ mitentworfen – und sich auch Gedanken über dessen Namen gemacht.

„Es hat ziemlich lange gedauert, bis uns ein passender Name einfiel“, erinnert sich der US-Amerikaner. „Wir haben uns dann auf ‚Starliner‘ geeinigt - das erinnert an den ‘Dreamliner‘.“ Dabei handelt es sich um ein Langstreckenflugzeug, das die Firma 2011 in Betrieb genommen hat.

Flugbahn von "Starliner"

ASSOCIATED PRESS

„Starliner“ verschwindet im Himmelszelt: Der Start in Cape Canaveral ist heute geglückt

Eine „lange Strecke“ soll auch der „Starliner“ zurücklegen – nicht zu den Sternen, aber immerhin bis zur Internationalen Raumstation ISS in rund 400 Kilometer Höhe. Sieben Personen sollen mit dem neuen Raumschiff hin- und wieder zurückfliegen können. Chris Ferguson wird der Pilot der ersten bemannten Mission sein. Beim heute gestarteten Testflug soll die Kapsel aber ohne Personal an die ISS andocken.

Landen statt Wassern

Die Form des „Starliners“ ähnelt jener der Apollo-Kapseln, mit denen die NASA zum Mond geflogen ist. Der „Starliner“ ist mit seinen fünf Metern Durchmesser aber größer. Er ist mit einem Servicemodul verbunden, das mit seinen Triebwerken die Steuerung der Kapsel übernimmt und diese zur Raumstation fliegt. Später, nach dem Abkoppeln von der ISS, wird das Servicemodul abgetrennt. Es verglüht in der Atmosphäre, während die Mannschaftskapsel zur Erde zurückkehrt.

Ein Unterschied zu den Kapselkonzepten der 60er Jahre: „Starliner“ ist keine Wegwerfkapsel, sondern wird mehrfach einsetzbar sein. Durch seine Landung unterscheidet sich der „Starliner“ ebenfalls von den alten Kapseln vergangener Jahrzehnte und auch vom Konkurrenten SpaceX: Der „Starliner“ wird nicht wassern, sondern – von Fallschirmen und Airbags gebremst – auf dem Festland aufsetzen, im Westen der USA, in Utah, in New Mexico oder in Kalifornien.

Weltraumkapsel "Starliner" schwebt über der Erde

Boeing/NASA

„Die Tatsache, dass man in Amerika jetzt eigene Transportsysteme entwickelt, folgt der Philosophie, durch Wettbewerb auch Kosten zu senken“, argumentiert der ehemalige Astronaut Thomas Reiter, der heute als Koordinator Internationale Agenturen für Europas Weltraumagentur ESA tätig ist. „Ob das dann alles in der Zukunft Bestand haben wird, das wird sich zeigen, denn der Markt ist relativ begrenzt.“

Marktwirtschaft im All

Momentan ist dieser Markt fast schon unüberschaubar: „Starliner“ von Boeing und „Crew Dragon“ von SpaceX sollen künftig Astronauten zur ISS fliegen. Unbemannte „Dragon“-Kapseln versorgen die Station weiterhin mit Nachschub, genauso wie die Lastencontainer „Cygnus“ der amerikanischen Firma Northrop Grumman und Japans Transfervehikel “HTV". Auch der Raumgleiter “Dream Chaser“ der Sierra Nevada Corporation wird sich demnächst als unbemannter Transporter hinzugesellen. Ebenfalls weiterhin an Bord: die Russen mit ihren unbemannten “Progress“- und ihren bemannten “Sojus“-Kapseln.

Thomas Reiter findet: je mehr, desto besser. „Denn einmal angenommen, es passiert irgendwas - in so einem Fall wäre ja die ‚Sojus‘ gegroundet.“ Und dann gäbe es kein anderes System. „Redundanzen sind nun einmal in der Raumfahrt enorm wichtig“, findet Reiter.

Guido Meyer, Ö1-Wissenschaft

Mehr zu dem Thema: