Erdgas als zweifelhafte Klimalösung

Weg von der Kohle, hin zu erneuerbaren Energiequellen - so soll die Produktion von Strom in Zukunft klimafreundlich werden. Auf dem Weg dahin setzen viele Nationen auf Erdgas. Doch laut einer neuen Studie fehlt es hier an Daten, als Klimalösung sei Erdgas zweifelhaft.

Der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen, wie Kohlendioxid, Methan oder Lachgas nimmt weiter zu. Im vergangenen Jahr wurden abermals neue Höchstwerte erreicht. Global betrachtet geht ein Viertel der Treibhausgasemissionen auf Kosten der Energie- und Wärmegewinnung. Um diesen Anteil zu verkleinern, setzen Nationen wie China und die USA auf Erdgas als Brückentechnologie. In Europa ist Erdgas schon seit Jahrzehnten eine wichtige Energiequelle.

Erdgas entweicht unweigerlich

Die Energiewissenschaftlerin Magdalena Klemun vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hat die Erdgasgewinnung und -nutzung in ihrer jüngsten Studie unter die Lupe genommen. Im Vergleich mit Kohle schneide Erdgas bei der Elektrizitätsgewinnung eindeutig besser ab, so Klemun. Erdgas verursacht ungefähr halb so viel Treibhausgasemissionen wie Kohle. „Allerdings besteht Erdgas eben aus Methan, und Methan ist ein hochwirksames Treibhausgas“, so die Energiewissenschaftlerin weiter.

Die Klimaschädlichkeit von Treibhausgasen wird in CO2-Äquivalenten gemessen. Methan ist um ein Vielfaches klimawirksamer als CO2. Kommt Erdgas in der Stromproduktion zum Einsatz, entweicht es unweigerlich. Es gibt Lecks bei der Gewinnung, beim Transport über Hunderte Kilometer lange Pipelines und bei der Speicherung in Tanks.

Im Inneren eines Erdgas-Tanks

APA/AFP/STR

Im Inneren eines Erdgas-Tanks

Unsicherheiten bei Klimaschädlichkeit

Wieviel Erdgas und letztlich Methan hier entweicht, hat Klemun berechnet und den Zielen für Treibhausgasemissionen der Pariser Klimavereinbarung gegenübergestellt. Die Ergebnisse offenbaren eine große Spanne: Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, wäre bei der Erdgasnutzung eine 40- bis 90-prozentige Reduktion der Emissionen bis 2030 notwendig. „Da sind substantielle Veränderungen notwendig, und man muss darüber nachdenken, ob das überhaupt möglich ist“, sagt Klemun.

40 bis 90 Prozent weniger Erdgasverluste entlang der Versorgungskette – diese weite Spanne ergibt sich aus den unterschiedlichen Angaben zur Klimawirksamkeit von Methan bzw. den unterschiedlichen Methoden zur Berechnung des CO2-Äquivalents. Aktuell wird meist mit der 25-fachen Wirkung gerechnet, ein Durchschnittswert auf einhundert Jahre. Doch Methan bleibt nur einige Jahrzehnte in der Atmosphäre. Rechnet man das CO2-Äquivalent auf 20 Jahre um, ist Methan als Treibhausgas 86-Mal stärker als CO2.

Auch Europa muss messen

Eine weitere Unsicherheit ergibt sich aus den Zahlen zum Methanschwund. Die basieren teilweise auf Messungen, viel werde aber auch hochgerechnet und geschätzt, so die Energiewissenschaftlerin. Deswegen brauche es mehr empirische Daten zu Lecks in der Erdgasgewinnung und -verteilung, nicht nur aus den USA und China, sondern auch aus Europa.

„Nur so können wir diese Wissenslücken schließen und besser einschätzen, wie risikoreich Erdgas als sogenannter Brückentreibstoff ist“, sagt Klemun. Um die Energiewende effizient zu planen und in die richtigen Technologien zu investieren, brauche es auch hier intensivere Forschungen und politische Einigkeit, so Klemun.

Marlene Nowotny, Ö1 Wissenschaft

Mehr zu dem Thema: