Mikroskopaufnahme einer T-Zelle
APA/AFP/National Institute of Allergy and Infectious Diseases
APA/AFP/National Institute of Allergy and Infectious Diseases

„Gute“ T-Zellen, die manchmal „böse“ werden

T-Zellen haben eine wichtige und zentrale Funktion bei der Immunabwehr. Warum sie auch „böse“ werden können, wie sie zur personalisierten Immuntherapie eingesetzt werden und welche Rolle sie bei Rheuma spielen könnten, beschreiben Nicole Boucheron und Alexandra Schebesta in einem Gastbeitrag anlässlich des Internationalen Tages der Immunologie am 29. April.

Unser Immunsystem schützt uns laufend vor Erregern und Fremdstoffen, die in den Körper gelangen, und eliminiert außerdem körpereigene Zellen, die verändert und somit potenziell gefährlich sind. Mit den Coronavirus-Schutzimpfungen sind neben den B-Zellen auch die T-Zellen mehr in den Fokus der Wissenschaft und auch der Öffentlichkeit gerückt. Diese zählen zu den weißen Blutkörperchen und haben mehrere wichtige Funktionen bei der Immunabwehr: Sie koordinieren, helfen, regulieren und töten bei einer Immunantwort, leiten aber auch deren Ende wieder ein. So facettenreich wie ihre Funktionen sind auch die Untergruppen der T-Zellen, die – aufgrund des starken wissenschaftlichen Interesses an ihnen – laufend entdeckt werden.

Einsatzleiter des angeborenen Immunsystems

Überwinden Eindringlinge und Fremdkörper die Barriere der Haut oder der Schleimhäute und gelangen in den Körper, werden sie in der Regel von Zellen des angeborenen Immunsystems erkannt und beseitigt. Dazu zählen unter anderem Fresszellen, die sie aufnehmen und eliminieren, aber auch Zellen, die toxische Substanzen produzieren und sie so ausschalten. Reicht diese erste Abwehr nicht aus, wird eine optimierte Immunantwort über das erworbene Immunsystem eingeleitet.

Profilfotos von Alexandra Schebesta und Nicole Boucheron
Privat

Über die Autorinnen

Nicole Boucheron (re.) ist Gruppenleiterin im Gebiet der Helfer-T-Zell-Forschung in der Abteilung Immunbiologie an der MedUni Wien. Alexandra Schebesta ist promovierte Genetikerin und war lange Zeit auf dem Gebiet der Stammzellforschung und Immunologie tätig. Sie betreut heute bei Open Science Projekte im Bereich der Wissenschaftskommunikation. Aktuell führen die Autorinnen gemeinsam das Projekt ImmunoKomm-Kommunikation ist alles! durch.

Heute geht man davon aus, dass jeder Erreger optimal durch eine bestimmte Kombination von unterschiedlichen Immunzellen des angeborenen Immunsystems bekämpft werden kann. Die Helfer-T-Zellen des erworbenen Immunsystems bestimmen die Zusammensetzung der Einsatztruppe – also der beteiligten Immunzellen – und dirigieren deren Einsatz. Bei einer Immunantwort gegen ein Virus wird beispielsweise ein anderes Einsatzkommando benötigt als bei der Verteidigung gegen Bakterien oder Würmer: T-Helfer-1-Zellen leiten eine Immunantwort gegen Viren ein, wohingegen T-Helfer-2-Zellen beim Eliminieren von Würmern und T-Helfer-17 gegen Bakterien eine wichtige Rolle spielen. Unterschieden werden die verschiedenen Helfer-T-Zell-Typen anhand einer für sie typischen Kombination an Oberflächenmolekülen und typischer Botenstoffe (Zytokine), die sie ausschütten. Eine andere Untergruppe der Helfer-T-Zellen spielt ebenso eine wichtige Rolle bei unserer Immunabwehr: Regulatorische-T-Zellen – sie beenden die Immunantwort.

Starkes Team des erworbenen Immunsystems

Manche Mikroorganismen können vom angeborenen Immunsystem nicht eliminiert werden, da es sie nicht erkennt oder weil sie sich sehr stark vermehren. In diesem Fall übernimmt bzw. hilft dann das erworbene (auch: adaptive) Immunsystem, dem unter anderem die B- und auch die T-Zellen angehören. Gemeinsam bilden sie ein eingespieltes Team, das eng zusammenarbeitet: Beide Zelltypen scannen den Körper laufend auf fremde Strukturen. Erkennen sie Eindringlinge oder Fremdkörper, reagieren sie in einem komplexen Wechselspiel. B-Zellen produzieren Antikörper, um die Erreger zu markieren, benötigen dafür allerdings die Hilfe der Helfer-T-Zellen. Zytotoxische T-Zellen wiederum – auch bekannt als Killerzellen – töten Zellen ab, die mit Erregern infiziert sind. Diese Prozesse sind im Vergleich zum angeborenen Immunsystem, das sofort anspringt, langwierig und dauern mehrere Stunden bis Tage.

Veranstaltungshinweis

Am 3. Mai finden ab 16:00 Uhr zwei öffentliche Vorträge zum Thema Immunsystem und Impfen statt: ImmunoKomm – Kommunikation ist alles!. Um Anmeldung unter office@openscience.or.at wird gebeten.

Im Rahmen einer spezifischen Immunantwort werden außerdem Gedächtnis-B- und Gedächtnis-T-Zellen gebildet. Diese langlebigen Zellen merken sich den Erreger und können bei einer zweiten Infektion schnell und effizient auf ihn reagieren. Die Ausbildung eines immunologischen Gedächtnisses bildet die Grundlage für Impfungen, und die Rolle von Gedächtnis-T-Zellen wurde im Rahmen der SARS-CoV-2-Schutzimpfungen auch häufig diskutiert. Es ist aber auch für andere Impfungen, wie beispielsweise der im Frühjahr empfohlenen Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME)-Schutzimpfung, wichtig.

Schlüsselfunktion bei personalisierter Therapie

Die Killerfunktion von zytotoxischen T-Zellen wird heute für die Therapie von Erkrankungen genutzt. Bei Immuntherapien – so werden Behandlungsformen bezeichnet, bei denen das Immunsystem beeinflusst wird – werden diese T-Zellen zielgerichtet gegen Krebs eingesetzt: So etwa verwendet die CAR-T-Zell-Therapie – eine neuartige und personalisierte Krebsimmuntherapie – zytotoxische T-Zellen von Krebskranken, die künstlich im Labor auf deren Tumorzellen spezialisiert werden. CAR-T steht für „Chimeric Antigen Receptor“, da hierfür ein Oberflächenmolekül der Zellen gentechnisch verändert wird. Per Transfusion erhalten die Erkrankten dann wieder ihre eigenen, aber speziell designten Immunzellen retour. Diese können aufgrund ihrer speziellen Oberflächenmoleküle die Krebszellen im Körper gezielt aufspüren und direkt bekämpfen.

Ein aktiver Zweig der Forschung untersucht aktuell auch die Möglichkeit, CAR-T-Zellen für spezielle Autoimmunerkrankungen einzusetzen. Beispielsweise wäre ein langfristiger Plan, sie gezielt auf das Abtöten von B-Zellen, die Antikörper gegen körpereigene Strukturen bilden, zu programmieren. Die CAR-T-Zell-Methode ist vielversprechend, jedoch sehr aufwendig und steckt noch in ihren Kinderschuhen. Auch unerwünschten Nebeneffekte können (noch) nicht ausgeschlossen werden. Daher wird momentan die Forschung bei T-Zellen aktuell auch so stark vorangetrieben.

Nur nicht aus dem Gleichgewicht geraten

T-Zellen sind zentral für ein funktionierendes Immunsystem und unsere Gesundheit. Eine Störung ihres Gleichgewichts kann allerdings schwerwiegende Folgen haben und zu Autoimmunerkrankungen, bei denen körpereigene Strukturen vom Immunsystem angegriffen werden, führen.

Damit T-Zellen zwischen Krankheitserregern und körpereigene Strukturen unterscheiden können, bekommen sie während ihrer Reifung in der Thymusdrüse (Bries) eine Schulung. Im Lehrplan des Thymus gibt es allerdings eine Lücke, denn es existieren auch körpereigene Strukturen, die hier nicht präsentiert werden. Außerdem gibt es auch „schlechte Schüler“, die die Regulierung im Thymus nicht richtig durchlaufen haben. Daher hat ein weiteres Kontrollorgan außerhalb des Thymus eine zentrale Funktion: Regulatorische T-Zellen sind nicht nur für das Beenden von Immunreaktionen zuständig. Diese speziellen T-Zellen überwachen auch, dass körpereigene Strukturen nicht von fehlgeleiteten T-Zellen angegriffen und zerstört werden.

Gibt es hier jedoch Fehler und wird das Gleichgewicht zwischen Helfer-, zytotoxischen und regulatorischen T-Zellen gestört, kann es zum Angriff auf körpereigenes Gewebe durch T-Zellen kommen. Die an sich „guten“ T-Zellen werden dann „böse“, und als Folge kann eine Autoimmunerkrankung entstehen. Beispiele dafür sind Multiple Sklerose, rheumatoide Arthritis (RA) oder Diabetes Typ 1, aber auch chronisch entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis Ulcerosa. Wie es genau zu einem Verlust des Gleichgewichts der Immunzellen und einer Autoimmunerkrankung kommen kann, ist noch nicht ganz klar, und daran wird aktuell intensiv geforscht.

T-Zellen bei Rheuma

Auch in Österreich wird an T-Zellen geforscht, unter anderem am Institut für Immunologie der Medizinischen Universität Wien. Ein Forschungsteam (Nicole Boucheron et al.) beschäftigt sich hier intensiv mit der Entstehung und Funktion von follikulärer T-Helferzellen (TfH). Diese stellen eine spezielle T-Zell-Untergruppe dar und haben die wichtige Aufgabe, B-Zellen zu schulen. Geraten follikuläre T-Helferzellen aus dem Gleichgewicht, kann das schwerwiegende Folgen haben: Bei Patient:innen mit rheumatoide Arthritis (RA) etwa korreliert die Krankheitsaktivität mit einer erhöhten Anzahl an follikulären T-Helferzellen im Blut – vermutlich aufgrund aktiverer B-Zellen, die Antikörper gegen körpereigene Strukturen produzieren.

Die aktuell intensive Erforschung der T-Zellen hat bereits ganz neue Therapiemöglichkeiten eröffnet und lässt auf weitere hoffen. Anwendungen gibt es nicht nur bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Krebs, aber auch bei Allergien, wo fehlgeleitete T-Zell-Antworten oft beteiligt sind.