Europa

So ernährten sich frühe Gesellschaften

In einer der heute heißesten Regionen der Iberischen Halbinsel lebten vor 4.000 Jahren Menschen der bronzezeitlichen El-Argar Kultur in Lehmhäusern. Wie eine Studie zeigt, verzehrten sie großteils Getreide aus dem Umland, nur die Eliten aßen mehr Fleisch.

Ein Team um Corina Knipper vom Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim und Kurt W. Alt vom Zentrum Natur- und Kulturgeschichte des Menschen der Danube Private University (DPU) in Krems untersuchte die sterblichen Überreste von 75 El-Argar-Individuen mittels Isotopenanalyse. Damit kann man ermitteln, was sie zu Lebzeiten gegessen hatten und ob ihre Nahrungsmittel aus unterschiedlichen Regionen stammten. Außerdem analysierten sie Knochen ihrer Hunde, Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine, von Rothirschen, sowie von verkohlten Gerste- und Weizenkörnern. „Damit sind alle Stufen der damaligen Nahrungskette vertreten“, so Knipper in einer Aussendung.

52 dieser Menschen hatten in der zur Blütezeit der Kultur rund 1.000 Personen umfassenden Siedlung „La Bastida“ und 23 in der kleineren, rund 300 Köpfe zählenden Siedlung „Gatas“ gelebt. Die El-Argar Kultur kam 2200 vor Christus auf, umfasste bis zu 2.500 Quadratkilometer im Südosten der Iberischen Halbinsel, und fand 650 Jahre später ein Ende. Die El-Argar Menschen lebten in einer der ersten frühstaatlichen Gesellschaften, wo starke soziale Eliten in den befestigten Siedlungen auf Felsspornen lebten. Sie hatten dort Vorräte und Lagereinrichtungen, und wohl auch öffentliche Räume, die vielleicht für die Verwaltung gebaut worden waren, sagt Alt: „Es ging dort also alles bereits in die Richtung eines frühen Staates.“

Eliten im Zentrum

Auf den steinigen, steilen Hügeln waren aber kaum Ackerbau oder Viehwirtschaft möglich. Die Nahrungsmittel mussten demnach aus den Tälern kommen. Die Isotopenanalysen bestätigen diese ursprüngliche Vermutung: „Die große Streuung der Messwerte zeigt, dass die eingelagerten Vorräte von unterschiedlichen Anbaustandorten stammten und bestätigt den Beitrag zahlreicher Höfe aus dem weiten Umland zur Versorgung der Bevölkerung der Zentralsiedlungen“, so die Forscher. Demnach lebten in den frühstädtischen Zentren die Eliten jener Gesellschaft, die von den Bauern aus dem Umland mit Lebensmitteln versorgt wurden.

3D-Rekonstruktion von La Bastida
Dani Méndez-REVIVES
3D-Rekonstruktion von La Bastida

Laut archäologischen Funden war das kleinere „Gatas“ nicht ganz so reich wie das Zentrum „La Bastida“, dies spiegelt sich auch in der Ernährung wieder. „Wenn man davon ausgeht, dass der Konsum tierischer Proteine etwas Besonderes ist, steht ‚La Bastida‘ besser da als ‚Gatas‘“, erklärt Alt. Die El-Argar Leute waren dennoch vor allem eine Agrargesellschaft: Im Durchschnitt basierte die Nahrung der Menschen damals zu vier Fünfteln auf Getreide. Laut Analysedaten erfolgte der Anbau ohne künstliche Bewässerung und es wurde kaum gedüngt. Vor allem in der größeren „La Bastida“ Zentralsiedlung bekam das Vieh wohl die Agrar-Nebenprodukte wie Stroh und vielleicht auch Getreidekörner selbst als Futter. „Wahrscheinlich weideten die Tiere auf den abgeernteten Feldern und sorgten damit gleich für das bisschen Düngung“, meinen die Forscher.

„Beide Geschlechter verzehrten sehr ähnliche Anteile von Fleisch, Milchprodukten und Getreide“, sagte Alt. Fisch hatten die Menschen dort kaum auf dem Speiseplan, obwohl „Gatas“ nur drei Kilometer vom Meer entfernt liegt. Die Kinder wurden offensichtlich gestillt, bis sie eineinhalb oder zwei Jahre alt waren.

Übernutzte Ressourcen?

Es gab in den beiden Siedlungen laut den Begräbnisstätten drei gesellschaftliche Schichten: Die obersten Eliten mit edlen Grabbeigaben machten etwa zehn Prozent der Bevölkerung aus, so die Forscher. Laut ihren Ergebnissen hatten sie zu Lebzeiten Zugang zu höherwertigen Lebensmitteln als weniger privilegierte Personen, wie die rund 50 Prozent der Menschen, die wohl politische Rechte besaßen und immerhin mit Metallwaffen und -werkzeugen bestattet wurden, und die man heute wohl als Bürger bezeichnen würde. Den Rest der Bevölkerung machte „eine Art Dienerschaft oder Sklaven“ aus, so die Forscher.

Im Laufe der Zeit wurde der Anteil tierischer Produkte in der Nahrung der Menschen von „La Bastida“ und „Gatos“ jedoch geringer, berichten sie. „Dies ist ein Hinweis auf eine mögliche Übernutzung der Ressourcen, eine Verschlechterung der Versorgung und könnte ein Beitrag zum Ende der sozio-politischen Struktur der El-Argar Kultur sein“, meinen sie. „Es gibt keine Anzeichen von Rebellion, aber es könnte klimatische Gründe geben“, erklärte Alt. Immerhin sei dies heute die heißeste und trockenste Region Spaniens, wo er bei den Ausgrabungen mittags durchaus 45 Grad Celsius erlebt habe.