Südkaper (ein Glattwal) im grünlichen Meer
AFP/EDUARDO VALENTE
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Zählung

Walbeobachtung aus dem All

Die Erderwärmung verändert auch das Verhalten der Tiere in den Weltmeeren. Wale schlagen neue Wege ein, weil sich auch ihre Nahrung umorientiert, und der folgen sie. Um herauszufinden, welche Wale sich wie lange wo aufhalten, wollen US-Forscherinnen jetzt aus dem Weltall beobachten.

Wale sind groß – bestes Beispiel: der Blauwal. Männliche Tiere können mehr als 30 Meter lang werden. Aber könnte man sie damit aus dem Weltall sehen? „Vor 20 Jahren hätten wir noch gesagt: ‚Das ist verrückt! Ach was, das ist sogar unmöglich!‘“, sagt Sheila Hemami, die Direktorin für globale Herausforderungen am Forschungsinstitut Draper in Cambridge. Aber heutzutage – dank extrem hochaufgelöster Satellitenaufnahmen – sei das keineswegs mehr so verrückt – „im Gegenteil: Es wäre durchaus möglich.“

In den vergangenen Jahren haben die US-Wissenschaftler mit Hilfe verschiedener Satelliten schon Flusspferde in Sambia aus dem All beobachtet. Dabei erreichte man eine Auflösung von 31 Zentimetern pro Pixel. Selbst Hindernisse wie Luftzirkulationen in der Atmosphäre und Bewegungen der Tiere konnten die Forscher nicht daran hindern, die Tiere aus der Umlaufbahn heraus zu verfolgen.

Wale sind keine Sandbänke

31 Zentimeter pro Bildpunkt bedeutet, dass sogar Kopf und Beine der Tiere zu erahnen waren. Was mit den kleineren Flusspferden funktionierte, müsste sich erst recht auf die wesentlich größeren Wale anwenden lassen, hofft Kelly Kryc, die Direktorin für Naturschutz des New England Aquarium in Boston. „Wale an der Wasseroberfläche unterscheiden sich von anderen Tieren – und auch von anderen Walarten.“ Ein Blauwal ist viel größer als ein Atlantischer Nordkaper. Außerdem haben alle Glattwale spezifische Wucherungen am Kopf, die einzigartig sind.

Buckelwal springt aus dem Wasser
AFP/Fisheries and Oceans Canada
Buckelwal

Mit Hilfe von Satelliten werden sich Wale also nicht nur von Booten oder Sandbänken unterscheiden lassen. Selbst ihre Art kann zweifelsfrei ermittelt werden. „Wale aus dem Weltraum zu betrachten gibt uns die Gelegenheit, sie zu sehen, sie zu identifizieren und dann zu erkennen, was sie gerade tun“, sagt die US-amerikanische Wissenschaftlerin. „Das ist der Schlüssel, um ihr Überleben zu sichern.“

Kollisionen unterm Kiel

Denn die Augen aus dem All bieten mehr Überblick, als es Forschungsschiffe, Flugzeuge oder Drohnen je könnten – einfach weil sie von weiter oben schauen. Klarer als bisher lässt sich beobachten, wann und wo einander Mensch und Meerestier in die Wege kommen. So zwingen Schiffsrouten die Tiere bisweilen zu Umleitungen. Allein in amerikanischen Gewässern kommt es jährlich ein halbes Dutzend Mal zu Kollisionen zwischen Schiffen und Walen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmete sich auch ein Beitrag im Mittagsjournal am 12.3. um 12.00 Uhr.

Auch steigende Ozeantemperaturen führen zu neuen Wanderwegen der Wale, die sich verfolgen lassen: Kleine Krebstiere, Krill – die Hauptnahrung vieler Wale -, mögen lieber kaltes Wasser. Wale folgen dem Krill – so auch der Atlantische Nordkaper. Von ihm drehen nur noch geschätzte 400 Exemplare in den Gewässern vor dem New England Aquarium ihre Runden.

Menschen sehen Wale meist von Booten, auf „Whalewatch“-Touren. Aber das funktioniert nur dann, wenn das Boot zufällig da ist, wo der Wal ist. Meistens halten sie sich nur kurze Zeit dort auf. So sind keine Langzeitbeobachtungen der Tiere möglich. „Die Beobachtungen aus dem All über längere Zeit und über große Entfernungen werden unser Wissen über das Verhalten von Walen entscheidend erweitern“, hofft Kryc.

Weder das Draper-Institut noch das Aquarium in Boston will für diese „Volkszählung aus dem All“ eigene Satelliten kaufen oder gar in Auftrag geben. Stattdessen sollen die Betreiber staatlicher und privater Satelliten weltweit, die bereits im Erdorbit sind, ihre Daten zur Verfügung stellen. Auch mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) verhandeln die Amerikaner derzeit darüber, sodass im Laufe dieses Jahres die ersten Schnappschüsse aus dem All eintrudeln dürften.