Rekonstruktion eines Australopithecus
Cleveland Museum of Natural History
Cleveland Museum of Natural History
Paläoanthropologie

Urmenschen kletterten länger als gedacht

Die frühen Menschen haben wohl weniger Bodenkontakt gehabt, als man bisher glaubte: Sie gingen laut einer neuen Studie zwar auf zwei Beinen, waren aber wie heutige Menschenaffen immer wieder in den Bäumen zu finden.

Das zeige die Knochenstruktur der Hüftgelenke, die ihre Belastungsart zu Lebenszeiten widerspiegelt, wie ein Team mit österreichischer Beteiligung im Fachjournal „PNAS“ berichtet.

Zwei Millionen Jahre alte Knochen

Die Forscherinnen und Forscher um Matthew Skinner von der Universität Kent (Großbritannien) untersuchten bei zwei Frühmenschenfunden aus Südafrika die Innenstruktur der oberen Enden der Oberschenkelknochen, die Teil des Hüftgelenks sind. Einer davon ist älter als zwei Millionen Jahre (2 bis 2,8 Mio. Jahre), der andere vermutlich 1,5 Millionen Jahre alt, erklärte Dieter Pahr, der u. a. am Department für Anatomie und Biomechanik der Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften in Krems forscht.

Die Überreste der beiden Frühmenschen wurden vor mehr als 60 Jahren in den Sterkfontein-Höhlen nordwestlich von Johannesburg (Südafrika) gefunden, die von der UNESCO zum Weltkultur erklärt wurde und als „Wiege der Menschheit“ gilt.

Zwei verschiedene Arten untersucht

Das Individuum „STW522“, das vor über zwei Millionen Jahren dort lebte, gehörte zu den „Australopithecus africanus“ Frühmenschen. Bei dem jüngeren Fund „STW311“ ist die Zuordnung unklar. Entweder war es ein „Paranthropus robustus“ Frühmensch, der sich durch sehr große Mahlzähne, einem großen Kiefer und kräftigen Backenknochen auszeichnete, weil er oft fasrige Pflanzenteile und Wurzeln aß, oder ein früher „echter“ Menschen wie „Homo habilis“ oder „Homo erectus“, so die Forscher.

Die untersuchten Knochen
Leoni Georgiou
Hüftgelenksteile der Oberschenkel von „STW311“ (oben) und „STW522“

Bei beiden zeigt die äußere Form des Hüftgelenks-Teils des Oberschenkels eindeutig, dass sie gut auf zwei Beinen gehen konnten, berichten sie. Wie sie sich zu Lebzeiten aber wirklich fortbewegten, könne man besser aus der Innenstruktur der Knochen ablesen. Dort sind kleine Balken aus Knochengewebe (Trabekel), die sich während des ganzen Lebens je nach der Belastung umbauen.

Die Forscher verglichen ihre Anordnung bei den beiden Fossilien mit jener bei Schimpansen, Bonobos und Gorillas, die sowohl auf allen vieren laufen als auch Klettern, sowie Orang-Utans, die ihr Leben größtenteils kletternd, klammernd und hängend in den Bäumen verbringen, und modernen Menschen. „Die menschlichen Vergleichsproben sind ein paar Hundert Jahre alte Knochen, wo die Menschen körperlich sehr aktiv waren“, so Pahr.

Zweifüßigkeit könnte mehrfach entstanden sein

STW522, also der ältere Australopithecus Fund, zeigt eine innere Struktur wie bei einem modernen Menschen, und ist demnach wenig wie ein Affe geklettert, erklärte der Forscher. Der Knochen des Frühmenschen STW311, der wahrscheinlich eine halbe Million Jahre nach STW522 gelebt hat, zeige hingegen eine innere Dichteanordnung, die eine Kombination von Klettern und Gehen vermuten lässt, wie bei einem Menschenaffen.

Demnach sind die Vorfahren der Menschen nicht irgendwann einmal von den Bäumen heruntergestiegen, und bei einem bodenständigen Leben geblieben, sondern es zog sie entweder immer wieder in die Bäume, oder die Zweifüßigkeit (Bipedie) entstand mehrmals.