Zwei Schlüssel liegen auf einem Mietvertrag, dahinter Geldscheine
APA/BARBARA GINDL
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Soziale Ungleichheit

Stadtforscher fordern Mietenstopp

Beim Wohnen zeigt sich sehr deutlich, wie ungleich Menschen von der aktuellen Krise betroffen sind. Wohnraum ist ungleich verteilt, Mieten können zu einer existenziellen Bedrohung werden. Stadtforscherinnen und -forscher fordern deshalb nun einen Mietentstopp.

Die Quadratmeterzahl ist zu einem Kennzeichen dafür geworden, wie schwer Ausgangssperre und Schulschließungen für Familien werden: Je größer die Wohnfläche, desto eher lässt es sich dort aushalten. Mit wenig Platz, ohne Garten oder Balkon, kann es sehr schwer werden, Kinder bei Laune zu halten oder sich auch einmal aus dem Weg zu gehen. Die existentielle Rolle von Wohnraum zeige sich derzeit also in aller Deutlichkeit, sagt die Architektur- und Stadtforscherin Gabu Heindl. „Es zeigt sich auch, dass Wohnraum vor Corona, während Corona und nach Corona weiterhin eine Verteilungsfrage ist“, so Heindl. Ob Kinder ein eigenes Zimmer hätten, ob Eltern ein Schlafzimmer hätten oder im Wohnzimmer schliefen, mache hier einen riesigen Unterschied.

Miete als existentielle Bedrohung

Gerade Menschen mit niedrigeren Einkommen wenden einen großen Teil ihrer Einkünfte für Mieten auf. Oft seien das 50 Prozent und mehr, sagt Heindl. Für Menschen, die von Arbeitslosigkeit betroffen, die jetzt in Kurzarbeit oder deren selbstständige Einkünfte weggebrochen sind, habe sich dieser Anteil natürlich stark erhöht. Diesen Menschen sei durch die gesetzlichen Begleitmaßnahmen zu COVID-19 nicht unbedingt geholfen.

Ö1-Sendungshinweis:

Diesem Thema widmet sich auch Wissen Aktuell, am 15. April, um 13.55 Uhr.

Diese Maßnahmen sehen eine kurzfristige Entlastung der Mieterinnen und Mieter vor. Sie können die Miete von April, Mai und Juni zwar schuldig bleiben, müssen sie danach aber mit bis zu vier Prozent erlaubten Verzugszinsen, zusätzlich zur laufenden Miete, zurückzahlen. „Das kann sich gar nicht ausgehen, wenn man die Miete jetzt nicht zahlen konnte und zuvor auch keinen Spielraum hatte“, so Heindl. Im Rahmen einer Wohnbauforschungsstudie seien ihr zahlreiche Frauen begegnet, die sich am Ende des Monats entscheiden müssten, ob sie heizen oder Geld für Essen ausgeben, um die Miete noch aufwenden zu können.

Mietenstopp zu Krisenzeiten

Gabu Heindl und andere Wissenschaftlerinnen aus dem Bereich der Stadt- und Raumplanung fordern deswegen, tiefgreifendere Schritte zu setzen, um die Betroffenen zu entlasten. Dazu gehört ein Mietenstopp für all jene, die sich ihre Miete derzeit nicht leisten können. Eine Maßnahme, die derzeit in ganz Europa diskutiert werde, sagt Heindl. „Denn es gibt eigentlich überhaupt keinen Grund, warum in dieser Zeit leistungsloses Einkommen, wie es Miete ist, weiterlaufen soll, während viele andere ihr Einkommen verlieren“, argumentiert Heindl. Die Immobilienwirtschaft werde derzeit überhaupt nicht in die Pflicht genommen und das müsse sich ändern.

Dass durch eine solche Maßnahme wiederum Vermieter existenziell bedroht würden, glaubt Heindl nicht. Sie bezieht sich auf eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), die 2019 zeigte, dass nur fünf Prozent der Einnahmen durch Vermietung und Verpachtung an das untere Einkommensdrittel gehen, während 80 Prozent das oberste Einkommensdrittel lukriert. Und für jene, die als Vermieter in Not geraten, könne es einen Härtefonds geben, meint Heindl, gespeist aus den Profiten der Immobilienwirtschaft.