Vergissmeinnicht
Jens Kalaene / dpa / picturedesk.com
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Molekularbiologie

Pflanzen „vergessen“ anders als Tiere

Pflanzen blühen im Frühling nur, wenn sie sich „erinnern“, dass vorher Winter war. Beim Wachsen wird ihr genetisches Gedächtnis an neue Zellen weitergegeben, bei der Pollenbildung für die nächste Generation aber gelöscht. Dieses „Vergessen“ passiert anders als bei Tieren, wie Wiener Forscher berichten.

Das Erbgut, die DNA, ist von sogenannten Histonen umhüllt – einer Art Eiweiß-Verpackungsstoff. Der Zustand dieser Histone entscheidet darüber, ob ein Gen zugänglich und damit ablesbar ist. Das genetische Gedächtnis von Pflanzen funktioniert über Markierungen an dieser Verpackung. Ist ein bestimmter Eiweißstoff an einer bestimmten Stelle mit drei Markierungen (Methylgruppen) versehen, wird die Verpackung nicht geöffnet und das Gen darin nicht abgelesen. Nach dem Winter werden zum Beispiel Gene, die das Blühen unterdrücken, damit eingewickelt, damit die Gewächse rechtzeitig Blüten tragen.

Drei Mechanismen

Wenn die Pollen gebildet werden, die so wie die Spermien bei Tieren und Menschen die männlichen Keimzellen für die nächste Generation sind, wird diese genetische Erinnerung aber gelöscht. Dies berichten die Forscher um Michael Borg und Frederic Berger vom Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien soeben im Fachjournal „Nature Cell Biology“. „Weil Pollen über lange Distanzen etwa von Bienen oder dem Wind vertragen werden können, ist es sinnvoll, dass die Sprösslinge die Umgebung ihrer Väter vergessen, und stattdessen jene der Mütter im Gedächtnis haben, neben denen sie ja höchstwahrscheinlich gedeihen“, so Borg in einer Aussendung.

Für den Gedächtnisverlust sorgen drei Mechanismen, berichten die Forscher: Erstens werden jene molekularen Maschinen (Enzyme) ruhiggestellt, die Markierungen an der Verpackung vornehmen. Zweitens werden Maschinen aktiviert, die solche Markierungen abschneiden. Drittens wird der bestimmte Verpackungseiweißstoff durch eine nicht-markierbare Version ausgetauscht.

Bei Pflanzen ist der Gedächtnisverlust wohl nicht komplett, mutmaßen die Forscher, während bei Tieren ein anderer Mechanismus am Werk ist. Bei ihren Spermien werden überall die Markierungen gelöscht und die Verpackung als Ganzes erneuert.