Porträtfoto des rumänischen Mathematikers Adrian Constantin, Wittgenstein-Preisträger 2020
FWF, Daniel Novotny
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Forschungsförderung

Wittgenstein-Preis an „Wellenforscher“

Der Wittgenstein-Preis 2020 geht an den rumänischen Mathematiker Adrian Constantin von der Universität Wien. Er ist ein Spezialist für Wellen und Strömungen in den Meeren und der Atmosphäre – und trägt damit etwa zur Gefahrenabschätzung von Tsunamis bei.

Das gab der Wissenschaftsfonds FWF am Mittwochabend in Wien bekannt. Die Auszeichnung ist mit 1,5 Mio. Euro der höchste Wissenschaftsförderpreis in Österreich.

Naturphänomene in Formeln gießen

Es gibt viele Naturphänomene, deren Ursachen und Auswirkungen man im Detail noch nicht kennt. Dazu zählen Tsunamis ebenso wie etwa das Klimaphänomen „El Niño“, das alle vier bis fünf Jahre für massive Regenfälle, Trockenheit und Dürren sorgt. Diese Ereignisse stehen im Zentrum der Forschung des Mathematikers und aktuellen Wittgenstein-Preisträgers 2020 Adrian Constantin. Der gebürtige Rumäne forscht seit 2008 an der Universität Wien und versucht hier, Naturphänomene in mathematische Formeln zu gießen. „Wenn ich etwas dazu beitragen kann, dass man Vorgänge in Gewässern und der Atmosphäre besser versteht, dann ist das eine große Freude für mich – manchmal hat es ja schon funktioniert“, lacht Constantin in einem Interview mit science.ORF.at.

Wellen in der Atmosphäre und im Wasser

So konnte der theoretische Mathematiker beispielsweise zeigen, welche Welle bei einem heranrollenden Tsunami die größte wird und damit die Küste am stärksten trifft. In einem jüngeren Projekt näherte sich der Forscher wiederum den blinden Flecken rund um das Phänomen „El Niño“ an. Constantins Theorie zufolge scheint dabei die Tiefenströmung im Pazifik eine entscheidende Rolle zu spielen. Sie entsteht, wenn unterschiedlich warme Wasserschichten aufeinandertreffen.

Bisherige Modelle berücksichtigen diese Strömung im Meer nicht, dabei könnte sie Aufschluss darüber geben, wie stark sich „El Niño“ auf Wetterereignisse auswirkt. „Wenn man Phänomene besser versteht, kann man sich dann auch die Frage stellen, ob man vielleicht vorhersagen kann, wann und wie groß das Ereignis auftreten wird. Vorhersagen sind aber viel schwieriger.“

Porträtfoto des rumänischen Mathematikers Adrian Constantin, Wittgenstein-Preisträger 2020
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Adrian Constantin im Hof der Universität Wien

Constantins anwendungsorientierte Grundlagenforschung verschafft ihm heute einen Platz unter den 250 meistzitierten Mathematikern und Mathematikerinnen weltweit. Zudem wurde er in seiner Karriere bisher mit dem Göran-Gustafsson-Preis der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften sowie dem Friedrich-Wilhelm-Bessel-Preis der deutschen Humboldt-Stiftung ausgezeichnet. Das hat nicht zuletzt auch die internationale Fachjury des Wittgenstein-Preises überzeugt. „Der Wittgenstein-Preis ist die Bestätigung eines herausragenden wissenschaftlichen Lebenswerks, das im Falle von Adrian Constantin noch viele weitere exzellente Arbeiten erwarten lässt“, so FWF-Präsident Klement Tockner.

Jetstream bis „Morning Glory“

Mit dem Preisgeld in Höhe von 1,5 Millionen Euro will Adrian Constantin nicht nur das Ereignis „El Nino“ weiter berechnen, sondern auch die Mathematik hinter dem antarktischen Zirkumpolarstrom im Südpolarmeer oder dem Polarjetstream knacken, jenes Starkwindband, das auch in Europa das Wetter beeinflusst. „Es gibt aber auch Phänomene, die mich einfach interessieren, weil sie schön sind. Wie beispielsweise die sogenannten ‚Morning Glory Wolken‘ in Australien.“ Dabei handelt es sich um hunderte Kilometer lange Wolkenrollen, die sich langsam über den Himmel wälzen. „Es gibt schon eine Theorie dazu, die ist aber nicht so gut entwickelt. Ich bin zuversichtlich, dass man da noch etwas machen kann.“

Bei all seinen Fragestellungen ist Constantin allerdings auf Daten und Know-how von Geophysikern, Ozeanographinnen und anderen Experten aus anderen Disziplinen angewiesen. „Hier kommt der Wittgenstein-Preis genau recht. Denn dieser Preis ermöglicht es mir jetzt, diese Leute für einige Wochen hierher einzuladen.“ Von diesem intensiven Austausch soll nicht zuletzt auch sein junges Forschungsteam profitieren, betont der Forscher, der von der Jury auch für seine Nachwuchsarbeit gelobt wurde.

Wittgenstein-Preis für Tsunami-Forscher

Ein österreichischer Wissenschafter wurde am Mittwoch für seine Forschung der Gefahrenabschätzung von Tsunamis mit dem höchstdotierten Wissenschaftspreis des Landes, dem Wittgenstein-Preis, ausgezeichnet.

Start-Preise an sieben Jungforscher und -forscherinnen

Abgesehen vom dem Wittgenstein-Preis, der auch als „Austro-Nobelpreis“ gilt, vergab der Wissenschaftsfonds FWF auch dieses Jahr wieder die sogenannten START-Preise. Damit will man jüngeren Forschern und Forscherinnen die Möglichkeit bieten, auf längere Sicht und finanziell weitgehend abgesichert ihre Forschungsarbeiten zu planen. Insgesamt sieben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wurden ausgezeichnet.

Zu ihnen zählen die Physikerinnen und Physiker Birgitta Schultze-Bernhardt (TU Graz, Institut für Experimentalphysik), Gemma De las Cuevas (Universität Innsbruck, Institut für theoretische Physik) und Aleksandar Matkovic (Montanuniversität Leoben, Institut für Physik); die Veterinärmedizinerin Alice Auersperg (Veterinärmedizinische Universität Wien, Messerli Forschungsinstitut), Elisa Davoli vom Institut für Analysis und Scientific Computing und Robert Ganian vom Institut für Logic and Computation – beides TU Wien – sowie die Anglistin und Amerikanistin Julia Lajta-Novak von der Universität Wien. Die sieben geförderten Anträge kommen aus allen Fachdisziplinen und werden mit jeweils bis zu 1,2 Millionen Euro gefördert.