Eine Pauke mit einem roten „H“ für Harvard.
Harvard University
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Causa Epstein

Der Sexualverbrecher und die Elite-Uni

Der wegen Prostitution Minderjähriger rechtskräftig verurteilte und vor einem Jahr verstorbene Investmentbanker Jeffrey Epstein hatte enge Kontakte zur US-amerikanischen Elite-Uni Harvard. Besonders eng waren die Verbindungen zu einem Institut, das von einem Österreicher geleitet wird. Nach einer ersten Untersuchung wurde er suspendiert.

Es geht um den aus Klosterneuburg in Niederösterreich stammenden Mathematiker Martin Nowak und sein Programm für Biomathematik und evolutionäre Dynamik (PED) sowie das zugehörige Institut an der Harvard University. Die Universität hat die Verbindungen zwischen Uni, Epstein und Nowak in einem Bericht dokumentiert und seine vorläufige Suspendierung verfügt.

Enge Kontakte, viel Geld

Aber der Reihe nach: Jeffrey Epstein hatte keinen Hochschulabschluss, pflegte aber enge Kontakte zu zahlreichen Wissenschaftlern, vor allem an der renommierten Harvard University. In einem Bericht von “The Harvard Crimson“ ist von engen Kontakten mit dem ehemaligen Harvard-Präsidenten Lawrence Summers, dem Psychologen Stephen Kosslyn und Alan Dershowitz, Rechtsprofessor und 2008 Anwalt von Epstein bei seiner Verhandlung wegen sexueller Belästigung einer 14-Jährigen. Bei dieser Verhandlung wurde eine von Experten immer wieder als „großzügig“ bezeichnete, außergerichtliche Einigung ausverhandelt.

Vorbereitet und begleitet wurden diese engen Kontakte durch regelmäßige Spenden Epsteins an unterschiedliche Professoren. Auch den Bau neuer Institutsgebäude förderte der Milliardär großzügig. Eine eben solche Förderung erreichte im Jahr 2003 auch den Mathematiker Martin Nowak. Mit 6,5 Millionen US-Dollar förderte der Investmentbanker das neue, von Nowak geleitete Programm für Biomathematik und evolutionäre Dynamik. Das war die mit Abstand größte Spende Epsteins für einen einzigen Zweck in Harvard. Insgesamt sind laut einer im Mai veröffentlichten universitätsinternen Untersuchung 9,2 Millionen US-Dollar von Epstein an Harvard geflossen.

Kontakt auch nach Verurteilung

Das alles ist in den USA nicht ungewöhnlich. Universitäten erzielen einen – je nach Renommee der Uni – größeren oder kleineren Teil ihres Budgets durch private Spenden. Harvard weist jedes Jahr enorme Spendenbeträge aus und gilt als reichste Universität der Welt. Bemerkenswert ist aber, dass die Kontakte zwischen Harvard bzw. Martin Nowak als Person sowie seinem Institut und Jeffrey Epstein nicht aufhörten, nachdem der Milliardär sich der Vermittlung von Prostitution Minderjähriger schuldig bekannt hatte und zu einer Gefängnisstrafe von 13 Monaten verurteilt worden war. Epstein musste sich im Staat New York und in Florida als „sex offender“ registrieren, galt also als Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Harvard setzte Epstein damals auf die „No donor list“, eine Liste von Personen, von denen Spenden unerwünscht seien. In Harvard ging Epstein aber auch als registrierter „sex offender“ ein und aus. Das Institut von Martin Nowak war seine Basis am Campus.

Jeffrey Epstein bei einer Vorlesung von Martin Nowak im Jahr 2012.
The Edge
Jeffrey Epstein hat immer wieder an Vorlesungen von Martin Nowak teilgenommen. Die Bilder stammen aus einem Video, in dem Nowak vor kleinem Kreis über die „Evolution der Kooperation“ referiert hat. Der Vortrag wurde 2012 gehalten – vier Jahre nach Epsteins Verurteilung als „sex offender“.

Einige Beispiele aus dem Bericht: Epstein besaß 2008 bis 2018 eine Schlüsselkarte für ein privates Büro an Nowaks Institut. In diesem Zeitraum hielt er sich zumindest 40 Mal am Campus auf – laut Bericht nicht, um in Kontakt mit Studierenden zu kommen, sondern in erster Linie für Treffen mit Harvard-Forschern, denen er teilweise Kontakte zu weiteren Spendern herstellte. Um das Image von Epstein aufzubessern, wurde auf Ersuchen des PR-Beraters Epsteins 2014 auf der PED-Website eine positive Beschreibung des Großspenders veröffentlicht. Erst nach Beschwerden von Opferorganisationen wurde sie offline gestellt, heißt es auf Seite 4 des Berichts. 2013 versuchten außerdem mehrere Professoren die Uni-Leitung zu überzeugen, dass Epstein trotz seiner „reputational issues“ als Spender insbesondere für das Programm von Martin Nowak wieder zugelassen werden sollte – von der Harvard-Leitung wurde das abgelehnt.

Reaktionen aus Österreich

Harvard zieht aus dem Bericht zweierlei Schlüsse: Die Spendenpolitik der Universität wird noch einmal überprüft. Und die Vorgänge rund um Martin Nowak brauchen eine genauere Untersuchung. Bis zu ihrem Abschluss wurde der Mathematiker suspendiert. Aber was sagt Martin Nowak selbst zu den Vorwürfen? Ein Interview wollte er science.ORF.at nicht geben, per Mail weist er darauf hin, dass Harvard selbst Epstein 2013 zum Auftakt einer großen Fundraising-Kampagne eingeladen habe. 2017 sei er von Harvard gebeten worden, Epstein um weitere Spenden zu ersuchen – wer genau ihn seitens Harvard darum gebeten hat, ist nicht klar. Die Besuche Epsteins seien „allgemein bekannt“ gewesen, die Vorwürfe im Report seien „eher technischer Natur“.

An den österreichischen wissenschaftlichen Einrichtungen, die enge Kontakte zu Martin Nowak gepflegt haben bzw. pflegen, gibt man sich abwartend: Am IST Austria war der Mathematiker bis 2019 Mitglied des Scientific Boards. Dort teilt man auf Anfrage mit, dass man die Causa verfolge, derzeit aber keine Kontakte zu Nowak habe. Auch gemeinsame Veranstaltungen seien nicht geplant. Nowak ist außerdem korrespondierendes Mitglied an der österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Dort heißt es: „Wir beobachten das laufende Verfahren an der Harvard University genau und werden nach Abschluss der Untersuchung prüfen, ob und welche Maßnahmen seitens der ÖAW zu ergreifen sind.“

Geben und Nehmen in der Wissenschaft

Die Wissenschaft war nur ein Teil des riesigen und noch immer nur in Teilen bekannten Netzwerks des Jeffrey Epstein. Sie brachte ihm Kontakt zu angesehenen Menschen und war gut für das Renommee eines Menschen mit lückenhafter Ausbildung, der zu großem Reichtum gekommen war. Wissenschaftler wiederum haben gerne das Geld genommen und von Epsteins Netzwerk der mächtigen Männer profitiert.

Man darf hoffen, dass der Endbericht der Harvard University nicht bei der Aufarbeitung von einzelnen Beispielen hängen bleibt, sondern auch das Gesamtsystem unter die Lupe nimmt. Oder, wie es die Herausgeber des „Harvard Crimson“ angesichts der Suspendierung von Martin Nowak formuliert haben: „Eine Bestrafung von Nowak ist sicherlich nötig. Aber vorzugeben, dass er die einzige Quelle des Problems war, ist nichts als ein Ablehnen von Verantwortung.“