Geiger Renaud Capucon mit dem Lausanne Chamber Orchestra
AFP/FABRICE COFFRINI
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Netzwerke

Wie sich Menschen synchronisieren

Rudern, singen, tanzen – Menschen bewegen sich gerne synchron. Doch was passiert, wenn diese Synchronizität beeinträchtigt wird? Das haben israelische Forscher anhand eines Geigenensembles untersucht, mit überraschenden Ergebnissen. Diese ließen auch Rückschlüsse auf die Verbreitung von Fake News in Sozialen Netzwerken zu.

Sechzehn Violonistinnen und Violonisten nahmen an den Experimenten der Bar-Ilan Universität im israelischen Ramat Gan teil. Die Musizierenden sollten dieselben zwölf Noten immer und immer wieder spielen und dabei möglichst darauf achten, synchron zu sein. Nur sie sahen einander nicht, spielten auf elektronischen Geigen und hörten sich selbst und die anderen folglich auch nicht.

Verzögerung bringt Gruppe auseinander

Sie konnten nur hören, was ihnen der Physiker Moti Fridman, der Leiter der Studie, und sein Team über Kopfhörer zuteilwerden ließen. Hörten sich alle in Echtzeit, spielten sie synchron. Hörten sie nur einige andere, brach das Ensemble in kleinere synchrone Gruppen auf. Interessant wurde es laut Fridman, als die Forschenden begannen, die Musik der anderen mit Verzögerung einzuspielen.

Solche Verzögerungen verhindern eine Synchronisierung, wie die Forscher in ihrer Studie in Nature Communications schreiben. Man beobachte das überall in der Natur, erklärt der Physiker Fridman gegenüber science.ORF.at. Bei widersprüchlichen Signalen versuchten etwa elektrisch geladene Teilchen oder Vögel in einem Schwarm eine Art Mittelweg zu finden. Beim Menschen beobachteten die Forscher etwas Neues, für menschliche Netzwerke Einzigartiges.

Netzwerk kann Fakten leicht ignorieren

„Die Violinisten konzentrierten sich nur auf einen Input und ignorierten die anderen komplett“, so Friedman. Die Musizierenden veränderten also den Vernetzungsgrad des Systems: Sie unterbrechen das Netzwerk, um so eine Form von Stabilität zu erreichen. Friedman vergleicht das mit einem Gespräch auf einer Party: Dort nehme man auch die Informationen des Gesprächspartners wahr und ignoriere das Gemurmel der Umgebung.

Geigerinnen und Geiger bei einem Experiment
Chen Damari Photographer

„Das könnte vielleicht die rasante Verbreitung von Falschinformationen und Verschwörungstheorien in sozialen Medien erklären“, meint Friedman. Er und sein Team folgern zwei Hinweise aus den Studienergebnissen: Um zu verhindern, dass sich eine Gruppe auf Fake News einpendelt, müsse man schnell agieren. Und es reiche auch nicht Fakten nachzureichen, denn das menschliche Netzwerk schlage eben keine Mittelweg ein und ignoriere widersprüchliche Nachrichten.