Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
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Coronavirus

Brasilien als Testlabor für Impfstoffe

Die hohen Infektionsraten mit dem Coronavirus machen Brasilien zum idealen Versuchslabor für Impfstoffe. Tausende Freiwillige nahmen bereits an klinischen Studien teil, ein kürzlich verstorbener junger Mann dürfte nur ein Placebo erhalten haben. Einer der zahlreichen Impfstoffkandidaten soll schon demnächst in die Produktion gehen.

„Unser Präparat ist derzeit der sicherste Covid-19-Impfstoff der Welt“, verkündete Dimas Covas Anfang der Woche voller Enthusiasmus. Er ist Direktor des biomedizinischen Forschungszentrums Butantan in Sao Paulo. Dieses arbeitet gemeinsam mit dem chinesischen Pharma-Unternehmen Sinovac Biotech an einem Präparat namens „CoronaVac“.

Eine klinische Studie der Phase III an rund 9.000 Brasilianern und Brasilianerinnen habe vielversprechende Ergebnisse geliefert, erklärt Covas: das Präparat erzeuge Antikörper, schwere Nebenwirkungen seien nicht aufgetreten, leichte Reaktionen, wie Schmerzen an der Einstichstelle, Kopfweh und Schwindel bei etwa einem Drittel der Probanden. Vergleichbare Studien mit Impfstoffen anderer Firmen hätten wesentlich mehr Nebenwirkungen gezeigt, zum Teil sogar schwere.

Ö1-Sendungshinweis

Der aktuellen Lage in Brasilien widmet sich auch das „Journal Panorama“ am 22.10. um 18:20.

Das öffentlich finanzierte Institut Butantan ist der größte Impfstoff-Produzent in ganz Lateinamerika und will schon demnächst mit der Produktion von „CoronaVac“ beginnen. Dazu hat der Gouverneur von Sao Paulo Ende September feierlich einen Vertrag mit Sinovac unterzeichnet. Außerdem wird der Bundesstaat Sao Paulo 60 Millionen Impfdosen von der chinesischen Firma erhalten.

Impfung noch heuer

„Brasilien wird einer der ersten Orte der Welt sein, der Impfungen für seine Bevölkerung anbietet“, verkündete Gouverneur Joao Doria bei der Vertragsunterzeichnung. Bereits Mitte Dezember soll das medizinische Personal in Sao Paulo geimpft werden – vorausgesetzt die brasilianischen Zulassungsbehörden geben rechtzeitig ihre Zustimmung.

Brasilien: Ärztin verabreicht einem Mann aus eine Spritze mit einem Testimpfstoff gegen Covid-19
SILVIO AVILA/AFP

Beim innerbrasilianischen Wettlauf um den ersten Impfstoff scheint das Team „Sao Paulo-Sinovac“ derzeit die Nase vorne zu haben. In der zweiten brasilianischen Metropole, Rio de Janeiro, arbeitet die Forschungsstiftung Oswaldo Cruz (Fiocruz) ihrerseits mit dem schwedisch-britischen Konzern AstraZeneca zusammen. In Rio hofft man, im März einen Impfstoff auf den Markt bringen zu können, meint Rosane Cuber von Fiocruz: „Zunächst werden wir Impfungen nur für Brasilien herstellen. Doch danach planen wir auch zu exportieren, zum Beispiel an UN-Organisationen, wie UNICEF.“ Der Todesfall eines jungen Arztes, der freiwillig an der AstraZeneca-Studie teilgenommen hatte, hat gestern für Aufsehen gesorgt. Er dürfte aber nicht das Serum, sondern lediglich ein Placebo erhalten haben.

Ideales Testlabor

Brasilien hat sich in den vergangenen Monaten zunehmend zum Testlabor für diverse internationale Pharma-Konzerne entwickelt. Sinovac, AstraZeneca, Johnson & Johnson und Pfizer – sie alle testen derzeit ihre Covid-19-Impfstoffe an brasilianischen Freiwilligen. Das riesige Schwellenland eignet sich aus zwei Gründen optimal dafür: Erstens wegen der hohen Infektionszahlen.

Für klinische Tests ist es nämlich durchaus von Vorteil, wenn die Probanden dem Virus sehr ausgesetzt sind. Zweitens verfügt Brasilien über hervorragende biomedizinische Forschungseinrichtungen und Labors. Fiocruz in Rio de Janeiro beispielsweise betreibt das Technische Institut für Immunbiologie Bio-Manguinhos. Dieses exportiert schon heute Impfungen gegen Gelbfieber in rund 70 Länder. Deshalb ist Brasilien auch interessant als Kooperationspartner für die Entwicklung und Herstellung der Präparate.

Brasilien geht jedenfalls davon aus, dass der Bedarf an Impfstoffen in den kommenden Jahren steigen werde. Sowohl in Rio de Janeiro als auch in Sao Paulo sollen demnächst riesige neue Fabriksanlagen für die Herstellung von Impfungen gebaut werden.