Frau hält die hand an ihr Ohr
RFBSIP – stock.adobe.com
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Ohrensausen

Tinnitus: Das Leid wird messbar

Bis zu 15 Prozent aller Erwachsenen hören ein ständiges Pfeifen im Ohr. Direkt messen ließen sich diese Phantomgeräusche bisher nicht: Jetzt haben sie Forscher erstmals in den Hirnströmen festgemacht.

Einmal ist es ein hochfrequentes Pfeifen, einmal eher ein Rauschen – belastend ist der Tinnitus allemal: Betroffene neigen häufig zu Depressionen, sie sind gestresst, bisweilen ist durch die ständigen Störgeräusche sogar ihre Denkleistung eingeschränkt. Eine Abklärung organischer Ursachen jenseits des Hörapparats – vom Kiefer bis hin zur Wirbelsäule – ist zwar möglich, nur das Leiden selbst war mit messenden Methoden bisher kaum zu fassen, hier mussten sich Ärzte und Ärztinnen auf die subjektiven Schilderungen ihrer Patienten verlassen.

KI plus bildgebende Verfahren

Diese Lücke in der Diagnostik hat jetzt ein Team um Mehrnaz Shoushtarian vom Bionics Institute in East Melbourne geschlossen. Wie die Forscher im Fachblatt „Plos One“ berichten, hinterlässt das Ohrensausen typische Spuren in der Gehirnaktivität, genauer: im von den seitlichen Hirnwindungen ausgehenden Nervennetzwerk – dort, wo sich im Gehirn unter anderem auch das Hörzentrum befindet.

Ob diese Koppelung von unterschiedlichen Hirnregionen Ursache oder Folge des Tinnitus ist, können die Forscher zwar nicht beantworten, jedenfalls scheint sie recht eindeutig mit der Schwere der Beeinträchtigung zusammenzuhängen, wie Shoushtarian und ihre Kollegen schreiben: Sie und ihr Team haben ein lernfähiges Programm mit Daten aus bildgebenden Verfahren gefüttert – und konnten so mit einer Trefferrate von 87 Prozent bestimmen, ob ein Patient an einer leichten oder schweren Form von Tinnitus leidet. Darauf aufbauend wollen die australischen Forscherinnen und Forscher nun eine Diagnosemethode entwickeln, die für den Einsatz in Krankenhäusern geeignet ist.

Covid-19: Tinnitus als Langzeitfolge

In Österreich sind bis zu 15 Prozent der Erwachsenen von Ohrensausen betroffen, bei 0,5 bis drei Prozent ist der Leidensdruck stark bis unerträglich. Eine schlechte Nachricht war in diesem Zusammenhang im Journal „Frontiers in Public Health“ nachzulesen: Covid-19 dürfte die Symptome nämlich noch verschlimmern, wie Forscher der britischen Anglia Ruskin University kürzlich herausgefunden haben.

Das könnte direkt an der Krankheit liegen oder auch an den Begleitumständen der Pandemie, wie Angst und Einsamkeit, oder auch an der Dauerbeschallung durch Videokonferenzen im Homeoffice. Erhöhter Koffein- und Alkoholkonsum könnten ebenfalls eine Rolle spielen.