Und jährlich grüßt das Murmeltier: mit dem Rauchen aufhören, ein paar Kilo abnehmen, weniger Zeit am Handy verplempern – für einige Wochen sind die guten Vorsätze präsent, dann schleicht sich der alte Trott ein. Und nichts ändert sich. Egal, probiert man es eben im nächsten Jahr. Dann aber wirklich.
Warum läuft es bei vielen Menschen so oder so ähnlich ab? Warum verkommt der löbliche Vorsatz immer wieder zum leeren Ritual? Das hat auch damit zu tun, dass viele Vorsätze auf die Vermeidung des Schlechten abzielen, sagt Per Carlbring. „Statt zu sagen: ‚Ich möchte aufhören, Süßigkeiten zu essen‘ könnte ich auch sagen: ‚Ich möchte im neuen Jahr mehr Obst essen‘ – dann sind die Erfolgsaussichten größer. Vermutlich deswegen, weil der Vermeidung bereits der Misserfolg anhaftet.“
Die Formulierung macht den Unterschied
Herausgefunden hat das der Psychologe von der Universität Stockholm bei monatlichen Befragungen von 1.000 Landsleuten über ein Jahr hinweg. Diejenigen, die zum Jahresanfang einen aktiven Wunsch formuliert hatten, waren zwölf Monate später zu 59 Prozent mit ihrem Vorhaben erfolgreich. Die „Vermeider“ dagegen nur zu 47 Prozent. Im Schnitt lag die Erfolgsquote bei 55 Prozent – „das ist ein erstaunlich guter Wert“, befindet Carlbring.
In die Kategorie „erwartbar“ fiel die Verteilung der wichtigsten Motive: 33 Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer wollten im neuen Jahr mehr auf ihre Gesundheit achten, 22 Prozent planten, ein paar Kilo abzunehmen, häufig genannt wurde auch die Ernährung (13 Prozent), gefolgt von persönlicher Weiterentwicklung (neun), psychischer Gesundheit und Schlaf (fünf) sowie Bildung und Karriere (vier).
Dass Menschen gerade zu Jahresbeginn ihre Leben in andere Bahnen lenken wollen, ist freilich eine willkürliche Entscheidung. Im Prinzip stünden 364 andere Tage zur Verfügung, um sich neue Ziele zu stecken oder zu ändern, was zu ändern ist. Untersuchungen zeigen jedoch: Für biografische Weichenstellungen braucht es offenbar Zäsuren, in der Fachliteratur auch bekannt als „fresh start effect“. Das muss nicht notwendigerweise der 1. Jänner sein, geeignet sind auch Jahres- und Geburtstage, Urlaube und Reisen – „im Grunde kann das jeder Tag sein, sofern man der Überzeugung ist, dass das ein besonderer Tag ist“, sagt Carlbring.
Praxistipps für 2021
Gesteckte Ziele sollten realistisch und konkret sein, empfiehlt der Psychologe. Sich vorzunehmen, ein besserer Mensch zu werden, sei zwar lobenswert. Aber letztlich schwammig formuliert – und daher unerreichbar. Besser seien überschaubare und überprüfbare Vorsätze, wie etwa dreimal in der Woche laufen zu gehen oder zwei Bücher pro Monat zu lesen. Gleichwohl gilt: Engagement ist der Sache zuträglich, Verbissenheit ist es nicht. „Man sollte sich mit Vorsätzen nicht zu sehr unter Druck setzen. Das kann, wie unsere Studie zeigt, sogar kontraproduktiv sein. Wir haben ohnehin schon so viele Termine und Pflichten.“
Das deckt sich auch mit den Ergebnissen früherer Untersuchungen. Wie Forscher der University of Scranton in Pennsylvania vor ein paar Jahren herausgefunden haben, sind Rückschläge auf dem Weg zum gesteckten Ziel etwas ganz Normales. Auch und gerade bei jenen, die ihre Neujahrsvorsätze erfolgreich umsetzen. Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Sondern darum, das Scheitern als Zwischenetappe aufzufassen, sich inspirieren zu lassen von der eigenen Fehlbarkeit.
Liegestütze gegen Fluchen
Was seine eigenen Neujahrsvorsätze angeht, so erzählt Carlbring im ORF-Interview, könne er – vielleicht auch berufsbedingt – auf eine recht erfolgreiche Bilanz zurückblicken. Er habe sich etwa vor ein paar Jahren das Fluchen abgewöhnt, und zwar mit dieser Methode: „Immer, wenn mir ein Fluch auskam, habe ich ein paar Liegestütze gemacht. Das hat funktioniert.“
Für das kommende Jahr hat sich Carlbring vorgenommen, mehr Zeit mit seinen Eltern zu verbringen. Und dann sei da noch etwas anderes, ein ungewöhnlicher Wunsch: „Ich würde gerne jeden Tag mit einem Menschen sprechen, den ich vorher noch nie gesehen habe. Wir werden sehen, ob mir das gelingt. Momentan habe ich wegen der Pandemie wenige Sozialkontakte. Ich fürchte, es wird nicht einfach.“