Zwei Frauen sprechen miteinander, gestikulieren
Farknot Architect – stock.adobe.com
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Imitation

Wie der Körper lügt

Damit eine Lüge funktioniert, braucht es ein Gegenüber, das daran glaubt. Experimente zeigen, dass sich Lügner in ihren Bewegungen stark an ihre Gesprächspartner anpassen. Die unbewusste Imitation dient laut Forschern aber nicht unbedingt der Glaubwürdigkeit, sie sei vielmehr ein Zeichen dafür, wie anstrengend es ist, die Unwahrheit zu erzählen.

Imitation spielt im menschlichen Sozialverhalten eine tragende Rolle. Wenn wir angelächelt werden, lächeln wir zurück; im Gespräch übernehmen wir die Gesten unseres Gegenübers und manchmal sogar den Akzent. Diese soziale Mimikry – wie Forscher das Phänomen nennen – passiert zwar meist ganz automatisch und ohne Absicht, aber sie erzeugt Nähe und nützt so der Beziehung. Studien zeigen etwa, dass man sich schnell beliebt macht, wenn man seine Mitmenschen nachmacht.

Mehr oder weniger koordiniert?

Aber auch bei weniger ehrenvollen Handlungen könnte das nonverbale Wechselspiel eine tragende Rolle spielen, etwa beim Lügen. Und Außenstehenden womöglich sogar Hinweise liefern, ob jemand die Wahrheit erzählt oder nicht, so die Vermutung der Forscherinnen und Forscher um Sophie van der Zee von der Universität Rotterdam.

Es sei aber unklar, ob und auf welche Weise Lügen die nonverbale Interaktion verändern. Einerseits könnte es die zwischenmenschliche Koordination noch verstärken – etwa dann, wenn das Lügen kognitiv so fordernd ist, dass nur wenige Ressourcen bleiben, um sein eigenes Verhalten aktiv zu gestalten. Wie man aus Untersuchungen weiß, sei das nämlich mental sehr viel anstrengender als den anderen einfach zu spiegeln, schreiben van der Zee und Co. im Fachjournal „Royal Society Open Science“.

Die nonverbale Abstimmung könnte durch das Lügen aber auch weniger werden, denn bei Stress oder unter Bedrohung neigen Menschen mitunter dazu „einzufrieren“, heißt es in der Studie. Auch frühere Untersuchungen legen nahe, dass Lügnerinnen und Lügner aufgrund ihrer erhöhten Selbstkontrolle eher steif und angespannt auftreten.

Zum Lügen verleitet

Wie sich das Lügen wirklich auf die zwischenmenschliche Mimikry auswirkt, hat das Team nun experimentell untersucht. Knapp 90 männliche Probanden mussten in paarweisen Gesprächen entweder die Rolle eines Fragenden oder eines Befragten einnehmen. Inhaltlich ging es entweder um einen wahrheitsgemäßen Bericht, eine harmlose Verschleierung von Tatsachen oder um eine formvollendete Lügengeschichte, die in der schwierigsten Bedingung noch von hinten erzählt werden musste.

Mit Hilfe von vorgeblichen Aufgaben und anderen experimentellen Tricks wurden die befragten Probanden zum Lügen verleitet. Während der paarweisen Dialoge wurden die Körperbewegungen der Gesprächspartner mit Hilfe von Sensoren an den Handgelenken, am Kopf und am Brustkorb aufgezeichnet. Am Ende mussten alle einen zusätzlichen Fragebogen zu den Aufgaben, zum Befinden, etc. ausfüllen.

Lügen ist anstrengend

Die in der soeben veröffentlichten Studie präsentierten Ergebnisse sprechen für die erste These: Je anspruchsvoller die Lügen, umso koordinierter wurden die Bewegungen der Paare. Laut den Forscherinnen und Forschern könnte das aber nicht nur mit dem erhöhten kognitiven Aufwand zu tun haben, sondern einfach daran liegen, dass die Zuhörer bei den komplizierten Geschichten aufmerksamer zuhörten und sich das Duo deswegen stärker synchronisiert.

Um das auszuschließen, wurde ein weiteres Experiment durchgeführt. Dabei wurden die zum Lügen verleiteten Probanden in einem ansonsten vergleichbaren Setting gebeten, besonders auch das nonverbale bzw. verbale Verhalten des fragenstellenden Gesprächspartners zu achten. Eine Kontrollgruppe erhielt keine zusätzliche Anweisung. Diese Intervention habe die wesentlichen Ergebnisse des Experiments nicht verändert, schreiben die Autoren. Aufmerksamkeit als Einflussfaktor scheide also aus, so die Schlussfolgerung.

Laut van der Zee et al. stützen die Ergebnisse die Lehrmeinung, dass soziale Mimikry unter mental fordernden Umständen zunimmt. Automatisierte Prozesse übernehmen dann gewissermaßen die Kontrolle im zwischenmenschlichen Verhalten. Solche unbewussten Abläufe lassen sich vermutlich auch nicht so leicht willentlich umgehen. Die koordinierten Bewegungen könnten also hilfreiche Hinweise liefern, um Lügner zu entlarven, z.B. vor Gericht. Aber ohne technisches Hilfsmittel wäre das wohl dennoch schwierig, so die Forscherin und ihr Team, die Effekte seien doch recht subtil.