Weintrauben in der Sonne
dpa/Daniel Bockwoldt
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Mittelalter

Als Muslime mit Wein handelten

Im Mittelalter war die italienische Insel Sizilien ungefähr zwei Jahrhunderte lang Teil des Islamischen Reichs. Anders als angenommen wurde auch in dieser Periode weiterhin Wein produziert und gehandelt. Das ergaben Analysen von chemischen Rückständen in Amphoren.

Im Mittelalter – vom siebten bis ins neunte Jahrhundert – breitete sich das arabisch-islamische Weltreich bis weit in den Mittelmeerraum aus. Muslimische Truppen eroberten nordafrikanische Küstengebiete, die Iberische Halbinsel, erreichten 827 auch Sizilien und brachten es unter ihre Kontrolle. Die Insel war seit der Antike ein begehrtes Ziel für Eroberer. Ihre zentrale Lage machte sie zum geeigneten Handelsplatz und auf ihrem fruchtbaren Land wuchsen begehrte Nahrungsmittel wie Granatäpfel, Oliven und Trauben. Auch zu Zeiten des Römischen Reichs florierte der Handel, eines der wichtigsten Konsumgüter dieser Periode war Wein.

Der Genuss von Alkohol ist und war in der islamischen Religion allerdings verboten. Deswegen gingen manche Historiker bisher davon aus, dass die Produktion und der Handel des alkoholischen Getränks unter islamischer Herrschaft drastisch zurückgegangen sein müssen, auch wenn der Weinbau auf Sizilien nachgewiesenermaßen weitergegangen ist. Man vermutet, dass die Trauben in dieser Phase einfach roh verspeist oder zu Rosinen und Essig verarbeitet wurden. Wie die Forscherinnen und Forscher um Léa Drieu von der University of York in ihrer soeben im Fachjournal „The Proceedings of the Royal Society“ erschienenen Studie schreiben, gebe es aber auch die These, dass die Früchte in der islamischen Periode weiterhin vergoren und verkauft wurden. Dafür spricht, dass phasenweise sogar eine Steuer auf das Produkt eingehoben wurde. Unklar sei dabei auch, in welchem Umfang Wein produziert wurde.

Passende Säurespuren

Chemische Analyse sollten Antworten auf diese offenen Fragen geben. Drieu und Co. haben dafür insgesamt 109 Amphoren untersucht. Die Gefäße sind zwischen dem 4. und 11. Jahrhundert in Sizilien produziert oder dorthin importiert worden. Gefunden hat man sie an italienischen und nordafrikanischen Grabungsorten. Gesucht wurde nach organischen Komponenten im Ton, die Hinweise auf den ehemaligen Inhalt liefern könnten.

Amphore aus dem mittelalterlichen Sizilien
Viva Sacco
Amphore aus Sizilien

Ein bestimmtes Verhältnis von Wein- und Apfelsäuren zeigt laut den Studienautoren, dass sich in den Amphoren tatsächlich Produkte aus Weintrauben befunden haben und keine anderen Säfte oder Gewürze. Ähnliche Spuren findet man auch in jüngeren keramischen Weingefäßen. Das Team konnte das entsprechende Säureverhältnis tatsächlich bei einem großen Teil der Behältnisse nachweisen, auch bei jenen, die aus der islamischen Periode stammten. Es sei nicht auszuschließen, dass auch Essen oder Sirup aus Trauben darin gelagert und transportiert wurden. Vermutlich sind diese Produkte aber nicht in so großen Mengen gehandelt worden, schreiben die Autoren. Es spreche also vieles dafür, dass die Säurespuren tatsächlich von Wein stammen.

Reger Handel

Es gebe keine Belege, dass die Mitglieder der islamischen Gesellschaft den Wein auch selbst tranken, vielmehr scheint es, als hätten erst sie die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Weinbaus erkannt, schreiben die Forscher. Denn vor der islamischen Herrschaft war der auf Sizilien konsumierte Wein oftmals importiert. Erst damals habe man wahrscheinlich begonnen, voll auf den Export zu setzen. Man habe sogar eine Art Markenbildung betrieben. Denn es wurden ganz spezielle Amphoren verwendet. Diese sizilianischen Gefäße fanden ihren Weg bis Pisa oder Sardinien.

Generell dürfte es eine Phase von großem Wohlstand gewesen sein, so die Studienautoren. Gehandelt wurde nicht nur mit Wein, sondern auch mit Getreide, salzigem Fisch, Käse, Gewürzen und Zucker. Die Handelswege zeigen jedenfalls, wie eng die wirtschaftlichen Verknüpfungen zwischen der christlichen und der islamischen Welt damals waren.