Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
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Coronavirus

Impfstoffe: Die nächste Generation

Das Coronavirus entwickelt sich ständig weiter und hat es auch geschafft, der Immunantwort zumindest teilweise zu entwischen – wie etwa die Varianten aus Südafrika und Brasilien. Damit Impfstoffe auch künftig gegen das Coronavirus und seine neuen Varianten schützen, wird aber bereits an einer Strategie gearbeitet.

Beim Impfstoffhersteller Biontech bereitet man sich auf die Anpassung des eigenen mRNA-Impfstoffs vor. Dabei schraubt man noch nicht an einem konkreten Impfstoff, sondern arbeitet an den Rahmenbedingungen für eine mögliche Impfstoffanpassung, wie der Mediziner und Biontech-Gründer Uğur Şahin in einem Pressegespräch erklärt. „Wir haben ein Studienkonzept erarbeitet, welches wir mit EMA und der FDA geteilt haben, und das wird momentan diskutiert, um einen Wechsel ermöglichen zu können. Nicht weil wir glauben, dass ein Wechsel jetzt dringend notwendig ist – dafür gibt es keine Entscheidung –, sondern damit wir das einfach ermöglichen können.“

Beschleunigtes Verfahren für Nachwuchs

Werden bereits zugelassene Impfstoffe angepasst, soll der Prozess nicht wieder von vorne beginnen. Darauf habe man sich in der Europäischen Kommission geeinigt, erklärt Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, dem deutschen Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel. Demnach muss das Zulassungsverfahren nicht wiederholt werden, sofern die Machart grundsätzlich gleich bleibt. Der angepasste Tochter-Impfstoff muss auch nicht noch einmal im Labor oder an Tieren überprüft, sondern kann direkt an Menschen getestet werden, erklärt Cichutek. In diesen Studien muss gezeigt werden, „dass der umgestellte Impfstoff gegenüber den Varianten ungefähr genauso wirksam ist, wie der Originalimpfstoff gegen die herkömmlichen Varianten gewirkt hat.“

Dabei wird lediglich untersucht, ob der Tochterimpfstoff ähnlich viel und ähnlich gut neutralisierende Antikörper gegen die neuen Varianten erzeugt wie der Elternimpfstoff zuvor gegen das herkömmliche Coronavirus, erläutert Cichutek. Für diesen Vergleich braucht es wesentlich weniger Beteiligte als in den großen Phase-drei-Studien, in denen zehntausende Menschen geimpft wurden. „Das sind große Vereinfachungen. Das bedeutet, dass vom regulatorischen Verfahren her und von der Entwicklung her solche Sachen in wenigen Wochen bis Monaten geleistet werden können.“ Aktuell gebe es aber keinen Druck, die Impfstoffe schnell zu ändern, betont auch die Infektiologin Marylyn Addo am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Wir beobachten die Entwicklungen in der Welt und welche neuen Varianten auftauchen. Hiermit haben wir aber ganz gute Werkzeuge, um mit der Pandemie schrittzuhalten und schnell reagieren zu können.“

Impfstoffanpassung nur Plan C

Die Impfstoffe an veränderte Viren anzupassen, sei dabei nur ein möglicher Lösungsweg, so die Experten in einem Online-Pressegespräch des deutschen Science Media Center. Auch wird daran geforscht, ob eine Auffrischung mit den aktuellen Impfstoffen ausreichen könnte, erklärt der Biontech-Chef Şahin. Damit könnte zumindest die Anzahl an Antikörpern im Blut erhöht werden, was die Abwehr auch gegen neue Varianten stärken könnte. „Was wir zumindest im Labor beobachten, ist, dass je höher der Titer ist, umso kleiner ist der Unterschied im Titerabfall gegen die Variante. Das heißt, es gibt noch andere Möglichkeiten, mit denen man reagieren kann.“

Zudem wird getestet, wie unterschiedliche Impfstoffe miteinander kombiniert werden können, um die Abwehr zu stärken. Demnach würde beispielsweise jemand, der mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech/Pfizer grundimmunisiert wurde, eine Auffrischung mit dem AstraZeneca-Vektorimpfstoff bekommen. „Die Variantenanpassung ist, wenn Sie so wollen, eine neue Wissenschaft, wo die gesamte Community mitwirken muss – das sind die Wissenschaftler, das sind die Kliniker, das sind die Epidemiologen – das ist eine spannende Geschichte“, erklärt Şahin.

Offene Fragen

Es gibt aber auch bei der aktuellen Impfstoff-Generation noch genug offene Fragen. So laufen Studien, um die Wirksamkeit bzw. vor allem die Sicherheit der Impfstoffe bei Kindern, Schwangeren sowie Menschen mit geschwächten Immunsystemen zu bewerten. „Wichtig ist, dass wir jetzt genügend Impfstoffe produzieren, damit alle bis zum Sommerende mit den verschiedenen Impfstoffen geimpft sind. Das hat absolute Priorität“, so der Biontech-Chef.

Eine erfolgreiche, weltweite Verteilung der Impfstoffe könnte nicht zuletzt auch darüber entscheiden, wie sehr sich das Virus weiterentwickelt und ob es ihm tatsächlich gelingt, der Immunabwehr gänzlich zu entkommen. „Wenn es kein großes Infektionsgeschehen gibt, gibt es auch weniger Mutationen“, so die Infektiologin Marylyn Addo.