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AFP – OSCAR DEL POZO
AFP – OSCAR DEL POZO
Studie

Testosteron macht nicht erfolgreich

Manche Männer sind besonders risikofreudig, aggressiv und erfolgreich, weil sie „viel Testosteron im Blut haben“: Diesem weit verbreiteten Glauben widerspricht nun eine Studie mit Daten von 300.000 Menschen. Der Zusammenhang könnte demnach auch genau umgekehrt sein.

Mehr Testosteron macht nicht erfolgreicher, sondern Erfolg lässt den Testosteronspiegel steigen, legt die Studie nahe, die soeben in der Fachzeitschrift „Science Advances“ erschienen ist. „Rund um Testosteron gibt es sehr viele Mythen“, sagt Studienhauptautorin Amanda Hughes von der Bristol Medical School. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die sozialen Schlussfolgerungen übertrieben worden sein dürften.“

Zusammenhang ist nicht gleich Ursache

Unbestritten ist, dass das Hormon eine Reihe biologischer Mechanismen reguliert, etwa die Bildung geschlechtsspezifischer Merkmale und den Aufbau von Muskeln – weshalb Testosteron im Sport als Dopingmittel verwendet wird. Seine psychischen und in weiterer Folge gesellschaftlichen Auswirkungen sind allerdings weit weniger klar. So gibt es eine Reihe von Studien, die den Testosteronspiegel speziell bei Männern als Grund ihres Aggressionslevels, ihrer Risikobereitschaft und letztlich auch ihres beruflichen Erfolgs betrachten.

Diese Studien waren zumeist Beobachtungsstudien, stellten also Zusammenhänge her zwischen einem bestimmten Verhalten und der Menge an Testosteron im Blut. Sehr oft werden solche Korrelationen aber als Kausalitäten (miss-)interpretiert. Um Ursache und Wirkung auseinanderzuhalten, haben Amanda Hughes und ihr Team nun Daten von 300.000 Frauen und Männern europäischer Abstammung der UK Biobank ausgewertet. In der Datenbank sind sowohl Angaben zum Erbgut der Menschen als auch zu ihrem sozioökonomischen Hintergrund enthalten.

Es liegt nicht an den Genen

Wie auch bei vielen Studien zuvor zeigte sich: Männer mit aktuell mehr Testosteron im Blut sind eher erfolgreich – sie verfügen über ein höheres Haushaltseinkommen, leben in besseren Wohngegenden, sind risikofreudiger, besser ausgebildet und im Schnitt auch gesünder. Bei Frauen ist es umgekehrt, mehr Testosteron erhöht bei ihnen die Wahrscheinlichkeit von schlechteren sozioökonomischen Daten.

Aber: Bei der Überprüfung des Erbguts der Männer und Frauen zeigte sich dieser Zusammenhang nicht. Bestimmte Genvarianten, die die Bildung von Testosteron begünstigen, haben nichts zu tun mit Aggression, Risiko, Einkommen und Erfolg. Mit anderen Worten: Nicht die mit der Geburt feststehende „Testosteron-Hardware“ hängt mit der sozialen und ökonomischen Lage zusammen, sondern alles, was danach kommt.

Ganz andere Erklärung denkbar

Die Erklärung könnte deshalb genau andersrum lauten: Männer, die erfolgreich sind, haben mehr Testosteron im Blut. „Die Wahrnehmung des eigenen Erfolgs kann ihren Testosteronspiegel erhöhen“, sagt Hughes. „Gewinner von Sportbewerben etwa haben mehr Testosteron im Blut als Verlierer.“

Denkbar sei aber auch eine ganz andere Erklärung – dass nämlich ein dritter Faktor hinter beiden Phänomenen steht. Ein allgemein guter Gesundheitszustand etwa könnte verantwortlich sein sowohl für einen hohen Testosteronspiegel als auch für beruflichen und sonstigen Erfolg.

Die Autorinnen und Autoren der aktuellen Studie machen keine Angabe, welche dieser Erklärungen zutrifft bzw. welche sie bevorzugen. Das viel zitierte „Testosteron macht erfolgreich“ halten sie jedenfalls für falsch.