Ein Mann und eine Frau in den 60ern sprechen miteinander
fizkes – stock.adobe.com
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Gesundheit

Zuhören als Therapie gegen Alzheimer

Gute Sozialkontakte sind wichtig, um Alzheimer und anderen Demenzkrankheiten vorzubeugen. Wie sehr, zeigt eine neue US-Studie: Wer Freundinnen oder Freunde hat, die gut zuhören können, ist geistig deutlich fitter.

In Österreich sind momentan etwa 100.000 Menschen an Alzheimer erkrankt. Bis 2050 werden nach Schätzungen weltweit über 150 Millionen Menschen von Demenzerkrankungen betroffen sein. Der symptomatische Verlauf beginnt oftmals mit Störungen des Gedächtnisses und der Sprache.

Gegenwärtig gibt es für diese Krankheiten keine Heilung, Symptome werden lediglich durch Medikamente gelindert. Linderung verspricht auch eine sehr einfache Methode, die nun ein Team um Joel Salinas von New York University (NYU) genau untersucht hat: Zuhören.

Geistig vier Jahre jünger

Die Forscherinnen und Forscher zeigen in ihrer soeben in der Fachzeitschrift „JAMA Network Open“ erschienenen Studie, dass Merkfähigkeit und andere geistige Funktionen bei Menschen mit einem intakten sozialen Umfeld besser sind. „Menschen können etwas unternehmen, um sich selbst oder ihre Liebsten vor dem kognitiven Altern und den Alzheimer-Symptomen zu schützen“, sagt Salinas in einer NYU-Aussendung. Probanden, die in ihrem Umfeld gute Zuhörer oder Zuhörerinnen haben, seien geistig um bis zu vier Jahre jünger.

Gehirngröße und kognitive Fähigkeiten

Für die Studie werteten die Forscherinnen und Forscher Daten von mehr als 2.000, im Schnitt 63 Jahre alten Männern und Frauen aus – darunter allgemein gesundheitliche und sozioökonomische Angaben, die mithilfe von Magnetresonanztomographie ermittelten Größen der Gehirne sowie kognitive Fähigkeiten wie etwa Erinnerungsvermögen.

Daraus schlossen sie auf die „kognitive Resilienz“ der Menschen – die Widerstandsfähigkeit des Gehirns gegen natürliche Abbauprozesse – und verknüpften sie mit Eigenangaben zum sozialen Umfeld der Probanden. Gefragt war dabei u. a., ob es jemanden gibt, der eine oder einen liebt, der Ratschläge geben oder gut zuhören kann.

Letzteres erwies sich als Schlüsselelement. Wer im Alter von 40 oder 50 Jahren nur selten über das Leben und seine Freuden und Sorgen reden konnte, war laut Studie kognitiv um vier Jahre älter als Personen mit ausreichend Zuhörerschaft.

“Gute Zuhörer suchen – und selbst einer werden“

„Diese vier Jahre können unglaublich wertvoll sein", so Salinas. Meist werde zu spät an die psychische Gesundheit gedacht – oft Jahrzehnte, nachdem sich krankmachende Verhaltensweisen eingeschlichen haben. „Dabei könnten Sie sich genau heute die Frage stellen, ob es da wirklich jemanden gibt, der einem zuhört und Unterstützung bietet.“ Das könne viele Jahre später zu einer deutlich besseren Lebensqualität führen. Ärzte und Ärztinnen sollten diese Frage ihren Patienten deshalb standardgemäß stellen, betont Salinas. „Einsamkeit ist ein Symptom von Depression, es hat aber auch andere gesundheitliche Auswirkungen.“

Wie der biologische Mechanismus funktioniert, der die Gesundheit des Gehirns mit psychosozialen Faktoren verbindet, sei noch nicht ganz klar, sagt Salinas. Die aktuelle Studie weise aber auf „auf konkrete, biologische Gründe hin, warum wir alle nach guten Zuhörern und Zuhörerinnen suchen sollten – und uns auch bemühen sollten, selbst welche zu werden".