In der „Göttlichen Komödie“ schildert Dante eine visionäre Reise, die von der Hölle über das Purgatorium ins himmlische Paradies führt. Ausgangspunkt ist eine existenzielle Krise von Dante, die durch politische Verfolgung und Androhung der Todesstrafe ausgelöst wurde. Der 1265 in Florenz geborene Dichter hatte sich politisch engagiert und auf die falsche Partei gesetzt. Dante befürwortete eine Trennung von kirchlicher und weltlicher Macht. Dadurch geriet er in Gegensatz zur papstreuen Partei der „schwarzen Guelfen“, die nach militärischen Interventionen in Florenz an die Macht kamen.
Unglücklich im Exil
Dante verlor seine bürgerliche Existenz und musste die Stadt verlassen, um sein Leben zu retten. Danach führte er ein Leben als nomadisierender Dichter und Gelehrter, finanziell abhängig von verschiedenen Gönnern. Er verstarb im Exil am 14. September 1421. Seinen Gang in das Exil empfand Dante als Tiefpunkt seiner Existenz, den er in der „Göttlichen Komödie“ allegorisch beschreibt:
„Auf der Hälfte des Weges unseres Lebens fand ich mich in einem Wald wieder, denn der gerade Weg war verloren. Ach, es fällt so schwer zu sagen, wie er war, dieser Wald, so wild und garstig und dicht, der mir noch immer Angst macht, wenn ich daran denke.“
Faszinosum Hölle
Die Rettung naht in der Gestalt des antiken Dichters Vergil, der im Auftrag von Dantes idealisierter Jugendliebe Beatrice handelt; sie ist mittlerweile zu einer Lichtgestalt im himmlischen Paradies aufgestiegen. Vergil ist der Wegbegleiter durch die neun Höllenkreise, in denen Geizige, Verschwender, Gewalttäter, Gottesleugner, Verräter und Tyrannen ebenso versammelt sind wie korrupte Politiker und Päpste. Im untersten Bereich schließlich büßen die Verräter Judas, Brutus und Cassius, die in den drei Mäulern von Luzifer stecken:
„Aus sechs Augen heulte er, Luzifer und über drei Kinne troff ihm Tränensaft und blutiger Geifer. Mit jedem Maul zermalmte er einen Sünder wie mit einer Flachsbreche.“
Von jeher faszinierten die verschiedenen Höllenkreise die Leserinnen und Leser am meisten. Dante entwarf erschütternde Momentaufnahmen von Menschen, die während ihrer Lebenszeit schwere Sünden begangen hatten und nunmehr bis in alle Ewigkeit dafür büßen müssen. Die Hölle ist für Dante „der Schmerzenstrichter, in den alles Unglück der Welt hineingestopft wird.“ Ein Beispiel für die drastischen Strafen erleben Dante und Vergil in dem Höllenkreise, der den Schmeichlern vorbehalten ist:
Ö1 Sendungshinweis
Durch die Hölle ins Paradies. Zum 700. Todestag des Dichters und Philosophen Dante Alighieri: Dimensionen, 13. September, 19.05 Uhr (weitere Ö1 Sendungen zum Thema).
„Dorthin gelangten wir und von dort aus sah ich unten im Graben Leute, die steckten in einem Kot, wie er von menschlichen Abtritten zu stammen schien. Und während ich dort unten mit den Augen suche, sehe ich einen, der hatte das Haupt so voll mit Scheiße, sodass sich nicht sagen ließ, ob er Laie oder Kleriker war.“
Unbeschreibliches Licht im Paradies
Nach einem Zwischenspiel im Purgatorium – im Fegefeuer – geht die Reise ins irdische Paradies, wo Dante von Vergil verlassen wird. Von nun an ist die Lichtgestalt Beatrice seine Begleiterin. Sie führt ihn in das himmlische Paradies, wo die Seelen der Geretteten im Angesicht Gottes die Freuden der ewigen Seligkeit genießen. Das himmlische Paradies zeichnet sich durch verschiedene Facetten des Lichts aus, die kaum zu beschreiben sind:
"Von hier an war mein Sehen mächtiger als unser Sprechen, das vor solchem Anblick versagt und es versagt auch das Gedächtnis vor solchem Übermaß. Wie einem, der träumend etwas sieht, wovon ihm beim Erwachen nur mehr die Erregung bleibt, das übrige aber nicht mehr wiederkehrt. So geht es mir, denn meine Vision hat sich nahezu aufgelöst, aber noch spüre ich im Herzen einen Tropfen des Entzückens, das sie mir bereitete.“
Für eine Laienphilosophie
In der „Göttlichen Komödie“ entfaltete Dante eine Momentaufnahme des zeitgenössischen theologischen und philosophischen Spektrums, in dem christliche Motive dominieren, das aber auch Gedanken aufweist, die in der Philosophie der Renaissance eine wichtige Rolle spielen.
In anderen, weniger bekannten Schriften wie „Monarchia“ oder „Das Gastmahl“ stellte sich Dante die Frage der Vermittlung von philosophischen Gedanken, die zu seiner Zeit von Gelehrten in lateinischer Sprache und in einer höchst komplexen Terminologie formuliert wurden. Sie verstanden das Lateinische als Mittel der Distinktion, um sich von der Masse der Ungebildeten abzuheben.
Dagegen wandte sich Dante mit großer Vehemenz. Er plädierte für eine Laienphilosophie, die in der Volkssprache – dem Italienischen – erfolgen sollte, wie der an der Sorbonne in Paris emeritierte Philosoph und Mediävist Ruedi Imbach im Gespräch mit science.ORF.at betont:
„Es war das Bestreben Dantes, die Philosophie von der universitären Philosophie und der dogmatischen Theologie zu befreien. Er wollte eine Philosophie entwickeln für die Menschen, die keine professionellen Philosophen waren, sondern mitten im Leben standen und die sich fragten: Wie soll ich leben?“
Die Philosophie sollte laut Dante in der Muttersprache vermittelt werden, die von den Menschen verstanden werden kann. Um die These Dantes zu veranschaulichen, zitiert Imbach ein Beispiel, das sich in den philosophischen Schriften findet: „Als meine Eltern mich gezeugt haben, haben sie sich zweifellos in der Muttersprache verständigt und sich die liebenswerten Dinge gesagt.“
Rezeption eines „globalen Kulturguts“
Dantes „Göttliche Komödie“ wurde zu einem „globalen Kulturgut“, wie die in Göttingen tätige Romanistin Franziska Meier schreibt. Schriftsteller wie Boccaccio, T.S. Eliot und James Joyce waren von der Dichtung fasziniert, Künstler wie Sandro Botticelli, William Blake und Salvador Dali schufen Illustrationen und Literaturwissenschaftler wie Ernst Robert Curtius und Erich Auerbach verfassten subtile Interpretationen.
Samuel Beckett entfaltete eine große Sympathie für die Figur Belacqua, der in Dantes „Göttlicher Komödie“ am Rande des Purgatoriums wartet, um in das Paradies eingelassen zu werden. Belacqua ist sich der Aussichtslosigkeit seines Unternehmens bewusst, was ihn jedoch nicht weiter betrübt. Er, der sich schon während seiner Lebenszeit durch enorme Trägheit auszeichnete, wartet nicht einmal auf Godot, sondern genießt den Zustand des ziellosen Wartens.
Belacqua wird somit zum Prototyp von Becketts Dramen und Romanfiguren, wie sie etwa Murphy in dem gleichnamigen Roman verkörpert. Murphys Lieblingsbeschäftigung ist die Meditation. Um dieser Nicht-Tätigkeit intensiv nachzugehen, fesselt sich Murphy an seinen Schaukelstuhl und verharrt darin, bis er einen Nirwana-artigen Zustand erreicht:
„Er löste seinen Geist von den rohen Zudringlichkeiten von Empfindung und Reflexion und schickte sich an, auf seinem hohlen Rücken der Erstarrung zu verfallen. Nun kann mich nichts mehr zurückhalten, war sein letzter Gedanke, bevor er ins Bewusstsein versank.“