Illustration von zwei Flüssigkeiten, die in verschiedene Richtungen fließen
Shile Feng/Zuankai Wang
Shile Feng/Zuankai Wang
Bionik

Flüssigkeiten fließen gegen die Schwerkraft

Forscherinnen und Forscher aus Hongkong haben ein Material entwickelt, auf dem verschiedene Flüssigkeiten in unterschiedliche Richtungen fließen – zum Teil gegen die Schwerkraft. Vorbild waren die Blätter eines Nadelbaums aus Südamerika.

Regentropfen fließen am Fenster hinab, Honig rutscht vom Löffel zurück ins Glas. Flüssigkeiten sind von der Schwerkraft abhängig und fließen auf einer Oberfläche üblicherweise in die gleiche Richtung. Nun berichten Forscherinnen und Forscher von der City University in Hongkong mit ihrer Studie in der Fachzeitschrift „Science“ wie das Gesetz der Schwerkraft umgangen wurde.

Polymerblätter entwickelt

Die Idee lieferte eine immergrüne Baumart, die vor allem in Südamerika wächst und eine Besonderheit aufweist: Die Blätter der Araukarien bestehen aus einzelnen schuppenförmigen Elementen, deren Oberflächenstruktur es gewissen Flüssigkeiten ermöglicht, in verschiedene Richtungen, auch gegen die Schwerkraft, zu fließen. Das Forschungsteam hat in Anlehnung an die Natur „Polymerblätter“ (ALIS; „Araucaria leaf-inspired surface“) entwickelt.

Die Oberfläche, auf der Flüssigkeiten in verschiedene Richtungen fließen, darauf Araukarien
City University of Hong Kong
Araukarienblätter und Polymerblätter

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 20.9., 13:55 Uhr.

Üblicherweise tendieren Flüssigkeiten auf Oberflächen sich in jene Richtung auszubreiten, bei der ihre Oberflächenenergie am geringsten ist, sagt Studienhauptautor Wang Zuankai. „Die Richtung hängt vor allem von der Beschaffenheit der Oberfläche ab und nicht von den Eigenschaften der Flüssigkeit, wie etwa ihrer Oberflächenspannung.“ Auf den Araukarienblättern und den nachgebildeten Polymerblättern ist das anders: Auf ihnen fließen Flüssigkeiten mit unterschiedlicher Oberflächenspannung in verschiedene Richtungen.

Oberflächenspannung und Blattstruktur

Konkret untersucht haben die Forscherinnen und Forscher das mit Wasser und Ethanol. Letzterer besitzt eine geringere Oberflächenspannung und gelangt leichter über den Bogen des Blattes zur Spitze. Hingegen werden Wassertropfen durch eine hohe Oberflächenspannung „festgehalten“ und rollen daher eher zurück zum Blattgrund.

Unterschiedliche Fließrichtungen

Auch Struktur, Größe und Winkel, in dem die einzelnen Blätterschuppen zueinanderstehen, tragen laut den Forschern dazu bei, dass die Flüssigkeiten unterschiedliche Fließrichtungen wählen.

Fließrichtung steuern

Die Forscherinnen und Forscher veränderten weiters die Oberflächenstruktur der Flüssigkeiten. „Durch das Anpassen vom Wasser-Ethanol-Verhältnis, konnten wir die Fließrichtung der Flüssigkeit steuern“, erklärt Ko-Autor Zhu Pingan. Eine Wasser-Ethanol-Mischung mit einem zehnprozentigen Alkoholgehalt floss Richtung Blattgrund. Betrug der Ethanol-Anteil mehr als 40 Prozent, konnte der gegenteilige Effekt beobachtet werden. Für ein überraschendes Ergebnis sorgte die Mischung mit zehn- bis 40-prozentigem Alkoholgehalt: Die Flüssigkeit verteilte sich in verschiedene Richtungen.

Das Modell könnte laut den Forschern zukünftig Anwendung in verschiedenen Gebieten finden: zur Kühlung von elektronischen Geräten, in Schwangerschaftstests und sogar in der Entwicklung von Fälschungsetiketten.