Figur auf etruskischen Sarkopharg
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Erbgutanalyse

Auf den genetischen Spuren der Etrusker

Bis heute weiß man nicht genau, wo die Etrusker herkamen, wie aus ihnen die erste Hochkultur Italiens wurde und warum sie eine völlig andere Sprache als ihre Nachbarn sprachen. Genetische Analysen liefern nun neue Erkenntnisse zur Abstammung des geheimnisvollen eisenzeitlichen Volks: Vermutlich liegen die Wurzeln in Italien selbst.

Zwischen dem 8. und dem 4. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung waren sie das wohl mächtigste Volk Mittelitaliens. Sie lebten im Gebiet der heutigen Toskana sowie in Teilen Umbriens und Latiums. Bis heute ranken sich viele Mythen um die Etrusker. Denn die über hunderte Jahre hinweg kulturell stark abgegrenzte Gruppe war in vielerlei Hinsicht sehr anders als ihre benachbarten Zeitgenossen.

Sie verfügten bereits über erstaunliche technische Fertigkeiten, z.B. in der Metallverarbeitung, ihre Kunst war hochentwickelt und ihre Sprache, die bis heute nicht völlig entschlüsselt werden konnte, gehörte nicht zu den indogermanischen Sprachen – war also anders als alle Sprachen, die damals wie heute in dieser Gegend gesprochen wurde. „Die Etrusker traten so verschieden von ihren Nachbarn auf, dass in der Wissenschaft schon lange darüber diskutiert wird, ob diese Bevölkerung lokal entstand oder zugewandert war“, erklärt Cosimo Posth Universität Tübingen in einer Aussendung zu der soeben in „Science Advances“ erschienenen neuen Studie, die sich dem Erbgut der eisenzeitlichen Hochkultur widmet.

Rätselhafter Ursprung

Schon antike Historiker haben über den Ursprung spekuliert. Manche vermuteten, dass das Volk aus dem östlichen Mittelmeerraum – aus Anatolien oder der Ägäis – zugewandert ist. Andere hielten es für wahrscheinlicher, dass sich die Hochkultur vor Ort aus der Villanovakultur entwickelt hat. Von dieser These gehen die allermeisten Altertumsforscher heute aus. Die aktuellen genetischen Analysen der Forscherinnen und Forscher um Posth liefern dafür nun neue Belege, werfen aber auch Fragen auf.

Landkarten zu Etrurien
Michelle O’Reilly, MPI SHH
De Fundstätten und das Gebiet von Etrurien im heutigen Italien

Analysiert wurde das Erbgut von 82 Individuen, die zwischen 800 v. Chr. bis zum Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung in Mittelitalien gelebt haben. Die Überreste stammen von zwölf etruskischen Fundstätten in Mittel- und Süditalien. Die Forscher haben daraus gewissermaßen ein genetisches Porträt der Etrusker erstellt. In einem weiteren Schritt wurde analysiert, welche Einflüsse sich durch eventuelle Zuwanderer oder Durchmischung mit anderen Populationen im Laufe der 2.000 Jahren abzeichnen.

Bronzezeitliche Zuwanderung

Große Anteile des gemeinsamen genetischen Erbes des Volkes deuten laut den Forschern auf Vorfahren aus der osteuropäischen Steppe hin, die schon während der Bronzezeit nach Italien und Europa kamen. Rein genetisch betrachtet waren die Etrusker den benachbarten Völkern also recht ähnlich. Das spreche gegen die spätere Zuwanderung aus dem östlichen Mittelmeerraum und für eine Entwicklung vor Ort.

Damit ist es aber beinahe noch rätselhafter, warum die Etrusker ihre eigene Sprache pflegten. Denn gemeinhin werden die in der Bronzezeit nach Italien zugewanderten Menschen aus der Steppe für die Ausbreitung der indogermanischen Sprachen verantwortlich gemacht, schreiben die Forscher. Wie konnte sich bei den Etruskern mehr als 1.500 Jahre später eine ganz andere ältere Sprache erhalten?

Etruskische Statue
AFP/JEWEL SAMAD
Etruskische Statue

„Diese sprachliche Beständigkeit über den genetischen Wandel hinweg stellt bisherige einfache Annahmen in Frage, dass Gene und Sprachen zusammengehören. Wahrscheinlich war das Geschehen komplexer. Möglicherweise integrierten die Etrusker im zweiten Jahrtausend v. Chr. frühe italisch sprechende Menschen in ihre eigene Sprachgemeinschaft“, erklärt Koautor David Caramelli. Die italischen Sprachen wurden von indogermanischen Einwanderergruppen in Italien gesprochen, dazu zählte unter anderem das Lateinische.

Umbruch im Römischen Reich

Laut den Studienautoren ist der Genpool der Etrusker für mindestens 800 Jahre in der Eisenzeit und der Periode der Römischen Republik stabil geblieben. Erst mit der Römischen Kaiserzeit kam ein großer genetischer Umbruch für die Menschen in Mittelitalien, wie Koautor Johannes Krause in der Aussendung ausführt: „Damals mischten sie sich mit Populationen aus dem östlichen Mittelmeerraum, worunter wahrscheinlich auch Sklaven und Soldaten waren, die innerhalb des Römischen Reichs verschleppt oder umgesiedelt wurden“, sagt Krause. Das unterstreiche die wichtige Rolle, die das Römische Reich bei der Vertreibung und Umsiedlung von Menschen gespielt hat.

Weitere genetische Veränderungen zeigten sich gegen Ende des Untersuchungszeitraums im frühen Mittelalter: Nach dem Zusammenbruch des Weströmischen Reichs breiteten sich Nordeuropäer über die ganze italienische Halbinsel aus. Sie wanderten beispielsweise zur Zeit des Königreichs der Langobarden ein. Danach veränderte sich das Erbgut der in Mittel- und Süditalien lebenden Menschen kaum mehr. „Die Population in den heutigen Regionen Toskana, Latium und Basilikata blieb bis heute weitgehend stabil. Die genetische Zusammensetzung hat sich in den letzten 1.000 Jahren kaum verändert“, sagt Posth.