Aufruf

„Geimpfte Mehrheit darf nicht länger schweigen“

Die Demonstrationen der letzten Zeit vermitteln den Eindruck, dass die Impfgegner die Debatte über die Coronavirus-Maßnahmen beherrschen. Doch das sei völlig falsch, schreiben Forscherinnen und Forscher in einem heute veröffentlichten Aufruf – sie appelllieren darin an „die Mehrheit – klug, solidarisch und geimpft -, nicht länger zu schweigen".

Die Molekularbiologin Renée Schroeder, die Diskursforscherin Ruth Wodak, der Informatiker Hannes Werthner und der Mediziner Herbert Weltler fordern in ihrem Aufruf nicht nur mehr Wortmeldungen der geimpften Bürger und Bürgerinnen, sondern auch einen stärkeren Fokus auf die Wissenschaft. Schließlich hätten am 4. Dezember, als geschätzte 42.000 Impfgegner und -gegnerinnen in Wien demonstrierten, auch fast doppelt so viele Bürger – exakt 79.559 – eine Coronavirus-Schutzimpfung erhalten. Und mittlerweile würden rund 6,5 Mio. Personen bzw. 72 Prozent der impfbaren Bevölkerung Österreichs ein aktives Impfzertifikat besitzen.

Distanziertes Verhältnis zu Wissenschaft

„Scheinbar gibt es in der aktuellen Corona-Situation nur zwei Pole: Auf der einen Seite zeigt die Regierungspolitik, dass sie bisher der Pandemie nicht gewachsen ist, weshalb man ihr misstraut und sie unglaubwürdig geworden ist. Die Krisenkommunikation bleibt verwirrend und nicht nachvollziehbar, es fehlen u.a. Transparenz, Aufklärung und Dialog. Auf der anderen Seite besetzen Impfgegner und Corona-Leugner die Straße, kritisieren die Maßnahmen vehement und verbreiten obskure Verschwörungstheorien“, konstatieren die Forscherinnen und Forscher.

Sie verweisen auf das „distanzierte Verhältnis“ beider Seiten zur Wissenschaft. Die Regierungspolitik habe dies, weil sie die Wissenschaft „nur dann benutzt, wenn es gerade opportun ist oder nicht mehr anders geht“, und die Leugner, weil diese „generell der Wissenschaft als solcher misstrauen und überall dunkle Mächte vermuten“. Für Schroeder, Wodak, Werthner und Weltler ist es deshalb „an der Zeit, sich einzumischen. Die Bekämpfung der Pandemie darf nicht parteipolitischen Interessen unterworfen werden“. Es gebe kritische und reflektierte Bürger und Bürgerinnen, „es gibt sie, die Stimme der Mehrheit und der Vernunft.“