Kabeljau
AFP/LOIC VENANCE
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Wärmere Ozeane beheimaten kleinere Fische

Vor allem kleine Fische werden sich in den immer wärmer werdenden Ozeanen künftig wohlfühlen. Das prognostiziert ein internationales Forscherteam, das 130.000 Jahre alte Überreste von Fischen vor der Küste Perus untersucht hat – damals war das Meer ähnlich warm, wie es nun durch die Klimaerwärmung zu erwarten ist.

„In der Wissenschaft ist man sich schon lange darüber einig, dass kleinere Fischarten in wärmeren Ozeanen besser zurechtkommen als ihre großen Artgenossen“, erklärt der gebürtige Peruaner und Meeresökologe Renato Salvatteci gegenüber dem ORF. Der Grund: In wärmerem Wasser ist weniger Sauerstoff enthalten, gleichzeitig steigt aber auch der Sauerstoff- und Energiebedarf der Fische. Kleinere Arten kommen damit besser zurecht, weil ihr Sauerstoffbedarf vergleichsweise gering ist.

Laut Salvatteci, der aktuell an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel forscht, war bisher aber wenig darüber bekannt, wie sich die Fischpopulationen durch die Klimaerwärmung tatsächlich verändern könnten – zu groß sei der derzeitige Einfluss der Fischindustrie auf die Artenzusammensetzung in den Meeren. Mit einem internationalen Forscherteam warf der Meeresökologe daher einen Blick in die Vergangenheit und eine Zeit ohne industrielle Fischerei. Das Ergebnis der Untersuchung präsentieren die Forscherinnen und Forscher aktuell im Fachjournal „Science“.

130.000 Jahre alte Überreste

Peru gilt als eine der größten Fischereinationen der Welt, und das Meer vor der peruanischen Pazifikküste beherbergt eine weltweit einzigartige Artenvielfalt. Vor allem peruanische Sardellen kommen dort in großer Zahl vor, und die Fische sind ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor im Land.

Renato Salvatteci bei der Probennahme auf dem Forschungsschiff Meteor während einer Expedition vor Peru.
Martin Visbeck, GEOMAR
Renato Salvatteci bei der Probennahme auf dem Forschungsschiff Meteor während einer Expedition vor Peru

„In Peru ist ein großer Teil der Bevölkerung auf den Fischhandel angewiesen – sei es finanziell durch den Verkauf der Tiere oder die Produktion von Fischöl oder generell als Nahrungsmittel“, erklärt Salvatteci, der ergänzt: „Wenn sich nun die Artenzusammensetzung in den Meeren verändert, hat das auch weitreichende Folgen für die ganze Nation.“

Um genauer abschätzen zu können, wie sich die Zusammensetzung von Fischpopulationen abseits des industriellen Fischfangs ändert, sammelte das Forscherteam Sedimente aus dem Gebiet des Humboldtstroms vor der Westküste Perus. Das Team hoffte, darin Schuppen, Knochen und Wirbel von Fischen zu finden, die in der letzten wärmeren Periode vor rund 130.000 Jahren gelebt hatten. Die Ozeane waren damals um rund zwei Grad Celsius wärmer als heute und hatten damit eine ähnliche Temperatur, wie sie laut Experten auch durch die Klimaerwärmung bis zum Jahr 2100 erreicht werden könnte.

Kleine Fische dominant

In den ausgegrabenen Sedimenten fand das Forscherteam die erhofften Schuppen, Knochen und Wirbel von Fischen, die in dieser wärmeren Periode gelebt hatten. Bei der näheren Untersuchung der Proben im Labor stellte sich heraus, dass die Artenzusammensetzung damals tatsächlich anders war als im heutigen Gebiet des Humboldtstroms. Die peruanischen Sardellen etwa, die aktuell das dortige Ökosystem dominieren, kamen früher nur in geringer Zahl vor. Noch kleinere Fische – der heutigen Grundel ähnlich – waren jedoch zahlreicher vertreten. Knapp 60 Prozent der untersuchten Wirbelknochen stammten von diesen Fischen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 7.1., 13:55 Uhr.

Für Salvatteci ist die große Anzahl der kleinen Fische ein klarer Beweis dafür, dass die Klimaerwärmung drastische Auswirkungen auf die Ökosysteme der Ozeane hat. Bereits heute seien schon erste Vorstufen dieser Veränderung zu erkennen. „Die Zahl der in Peru gefischten Sardellen geht schon zurück, und im Gebiet des Humboldtstroms wurden auch bereits Fischarten gesichtet, die dort eigentlich nicht heimisch sind", so der Meeresökologe.

Fischkutter vor der Küste Perus im Humboldt-Auftriebssystem, einem der produktivsten Ökosysteme der Welt.
Martin Visbeck, GEOMAR
Fischkutter vor der Küste Perus

Größere Fische siedeln um

Künftig wird es laut dem Forscherteam also mehr kleine Fische geben, die mit den sauerstoffärmeren Umgebungen besser zurechtkommen. Die Fischerei dieser Tiere sei jedoch mühsam und aufgrund ihrer geringen Größe wenig ertragreich. Was mit den größeren Fischen passiert, konnte das Forscherteam in den Untersuchungen nicht klären.

Salvatteci hat jedoch Vermutungen: „Hier gibt es zwei wahrscheinliche Optionen. Entweder entfernen sie sich einfach von den Küsten, leben in tieferen Gewässern und werden für die Fischerei so schwerer erreichbar, oder sie siedeln sich in nördlicheren Gebieten an, wo das Wasser auch in Küstenregionen noch etwas kälter ist.“ Beide Fälle hätten schwerwiegende Folgen für die Fischindustrie bestimmter Länder.

Entwicklungsländer besonders betroffen

In einem Kommentar zur Studie schreiben Moriaki Yasuhara und Curtis Deutsch: „Die Ergebnisse von Salvatteci und dem Team sind der jüngste Beweis dafür, dass eine wärmere Zukunft die Ökosysteme in den tropischen Ozeanen verändern wird.“ Zum Problem werde das vor allem für jene Länder, in denen die Bevölkerung von der Fischerei lebt.

Im Kommentar heißt es weiter: „Entwicklungsländer, in denen die Abhängigkeit von der Kleinfischerei besonders groß ist, sind unverhältnismäßig stark betroffen." Neben den direkten finanziellen Folgen für diese Länder würden die wärmeren Ozeane künftig aber auch das weltweite Essverhalten beeinflussen, meint Salvatteci. Beliebte Speisefische würden dann nur noch in geringerer Zahl auftreten.

Aufzuhalten sei die Veränderung in der Artenzusammensetzung der Fische nicht mehr, so Salvatteci. Wichtig sei daher, dass vor allem Länder wie Peru schon jetzt andere Wirtschaftszweige erforschen. Auch Wege, um die aktuelle Fischpopulation etwa von peruanischen Sardellen nicht zu sehr zu beanspruchen, könnten den Wandel hin zu kleineren Fischarten etwas verlangsamen.