Illustration eines Gefäßes aus der Wari-Stätte Conchopata mit Velca-Baum und Velca-Samen
Illustration courtesy of J. Ochatoma Paravicino
Illustration courtesy of J. Ochatoma Paravicino
Wari-Kultur

Halluzinogene als Schlüssel zur Macht

Bier vermischt mit halluzinogenen Drogen – mit diesem Getränk haben die Wari, eine Vorläuferkultur der Inka in Südamerika, vor über 1.000 Jahren ihre Gäste bewirtet. Neue Funde in Peru deuten darauf hin, dass die Wari die berauschende Wirkung nutzten, um ihr Reich in den Anden auszudehnen.

Dass Bier in der Wari-Kultur eine wichtige Rolle spielte, um politische und wirtschaftliche Beziehungen zu fördern, ist schon länger bekannt: Vor drei Jahren etwa lieferten Überreste einer präkolumbianischen Brauerei in den Anden Hinweise, dass die Wari ihre Beziehungen zu anderen Völkern durch rituelle Trinkgelage stärkten.

Eine Entdeckung im 1.100 Jahre alten Außenposten von Quilcapampa deutet nun aber darauf hin, dass die Wari dem Bier auch Vilca, eine stark halluzinogene Droge aus dem Samen des Vilca-Baumes, beimischten. Wie die Wari deren psychotrope Wirkung nutzten, beschreibt ein Artikel, der im Fachmagazin „Antiquity“ veröffentlicht wurde.

Bei Festen floss Chicha

Das Forschungsteam um den Archäologen und Paläobotaniker Matthew E. Biwer vom Department of Anthropology and Archaeology des Dickinson College in den USA geht davon aus, dass die Wari-Herrscher in Quilcapampa die halluzinogene Droge bei Festen wichtigen Persönlichkeiten der umliegenden Dorfgemeinden servierten.

Feste, bei denen Chicha floss – jenes bierähnliche Getränk, das auch heute noch im Andenraum Südamerikas getrunken wird. Es wird durch Fermentation verschiedener Pflanzen durch Speichel hergestellt. Die Wari brauten es aus Molle, den Früchten des peruanischen Pfefferbaumes.

Bierkrüge statt Waffen

In dem kleinen Außenposten von Quilcapampa, der vor einigen Jahren bei Ausgrabungen entdeckt wurde, lebten vermutlich nur etwa 100 Wari – mehr als 200 Kilometer von der nächsten großen Wari-Siedlung und 800 Kilometer von ihrer Hauptstadt Huari, in der rund 100.000 Menschen lebten, entfernt. Denn wie die Inka nach ihnen verbreiteten die Wari ihre Kultur über weite Entfernungen und das zerklüftete Gelände der Anden.

Anden in Peru
AP

Während ihrer Blütezeit zwischen 600 und 1.200 n. Chr. erstreckte sich das Siedlungsgebiet der Wari-Kultur von der Pazifikküste über die Anden bis in östlich gelegene Urwaldgebiete. Die Ausgrabungen in Quilcapampa deuteten darauf hin, dass die Umgebung schon bevölkert war, bevor sich die Wari Mitte des neunten Jahrhunderts dort ansiedelten. Was die Forscherinnen und Forscher wunderte: Im Außenposten fanden sich zwar Bierkrüge – kunstvoll verziert mit Vilca-Samenkapseln – und andere Gegenstände, aber keine Relikte von Waffen.

Vilca-Samen im ausgetrockneten Boden

Eine mögliche Antwort auf die Frage, warum eine kleine Gruppe unbewaffneter Wari von den Einheimischen nicht nur akzeptiert, sondern auch als Autorität anerkannt wurde, fand Biwer im trockenen Boden von Quilcapampa: Vilca-Samen. Gleich in der Nähe waren Vertiefungen mit ausgetrockneten Samen der Früchte des Pfefferbaumes, mit denen die Wari Chicha brauten.

Heimisch sei der Vilca-Baum in der Umgebung von Quilcapampa nie gewesen, sagt Biwer. Weil die Samen zudem nur dort gefunden wurden, wo einst Gebäude der Wari standen, geht das Forschungsteam davon aus, dass die Droge von den Wari in den Außenposten mitgebracht wurde – mit dem Ziel, Kontakt zu den regionalen Eliten der Umgebung herzustellen, diese zu beeinflussen und das eigene Prestige zu erhöhen.

„Mächtiges Instrument“

Dass Feste im Wari-Reich eine große Bedeutung für die Herstellung von Hierarchien – sowohl inner- als auch außerhalb des eigenen Volkes – hatten, wurde bereits mehrfach dokumentiert. Die Wari-Kultur könnte laut Artikel die erste Kultur in den Anden gewesen sein, bei der der Konsum von Vilca nicht alleine den spirituellen Führern vorbehalten war. Die Funde in Quilcapampa seien jedenfalls der erste archäobotanische Beleg aus den präkolumbianischen Zentralanden für die Zugabe eines Halluzinogens zu einem alkoholischen Getränk.

Das gemeinschaftliche Biertrinken sei „ein mächtiges Instrument“ der Wari gewesen: Der Zusatz von Vilca habe ihnen und ihren Gästen eine kollektive psychotrope Erfahrung beschert, so die Forscherinnen und Forscher. Weil die Anführer der umliegenden Völker weder im Besitz von Vilca waren, noch wussten, wie das Getränk zuzubereiten ist, sicherten sich die Wari-Herrscher eine privilegierte Position in der sozialen Hierarchie der Region. Rund 200 Jahre später nutzte die Inka-Kultur Maisbier auf ähnliche Weise für politische Zwecke – allerdings ohne die Zugabe von Halluzinogenen.