Traktor, Objekt mit Gesicht, Pareidolie
science.ORF.at
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Pareidolie

Gesichter in Objekten sind männlich

„Dinge mit Gesicht“ – so nennt sich ein Phänomen, das im Netz oft die Runde macht: In unbelebten Gegenständen werden lachende, weinende und grantige Gesichter erkannt. Laut einer Studie werden diese Gesichter ziemlich eindeutig wahrgenommen – als jung und männlich.

Ein Traktor, der einen aus großen Scheinwerfern anstarrt; eine Handtasche, die den „Mund“ weit aufreisst; ein breit grinsender Briefkasten: Gar nicht selten lassen sich in unbelebten Objekten Gesichter erkennen. Und nicht nur das: Diese Gesichter erwecken sogar den Eindruck, sie würden fröhlich, traurig oder wütend dreinschauen.

Pareidolie nennt sich das Phänomen, in unbelebten Objekten und in Mustern Gesichter oder auch andere vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen. Ein Paradebeispiel ist das Suchen und Finden von Tieren in Wolkenformationen. In allen möglichen Dingen Gesichter zu entdecken hat manchmal auch extreme Folgen: So wurde etwa 2004 eine angebissene, alte Brotscheibe für viel Geld versteigert, auf der mit etwas Fantasie das Antlitz der Jungfrau Maria zu erkennen war.

Nur ein Prozent „zeigte“ Ausdruck von Ekel

Die Studie, die in einem Artikel in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences“ veröffentlicht wurde, beschäftigte sich mit diesem Phänomen. In einer Reihe von Experimenten betrachteten 3.851 Probandinnen und Probanden Fotos natürlichen und künstlichen Objekten, auf denen illusorische Gesichter erkennbar waren.

Die Gesichter wurden demnach mit einem bestimmten emotionalen Ausdruck wahrgenommen. Nur 19 Prozent hatten demnach einen neutralen Ausdruck. Bei 34 Prozent meinten die Probandinnen und Probanden einen Ausdruck von Freude und auf einem Prozent einen Ausdruck von Ekel zu erkennen.

Gesichter auf Objekten sind jung und männlich

Doch nicht nur Emotionen meinten die Probandinnen und Probanden mit den Gesichtern verknüpfen zu können. Die Ergebnisse der Studie zeigen auch eine starke Tendenz, die Gesichter als jung einzuordnen. Und: Vier von fünf Gesichtern wurden als männlich wahrgenommen worden, nur eines als weiblich. Die Ergebnisse weisen darauf hin, so die Studienautorinnen, dass Gesichter auf Objekten Gehirnmechanismen einbeziehen, die über die Gesichtserkennung hinaus auch an der Gesichtsbewertung beteiligt sind.

Bias in der Geschlechtswahrnehmung

Am auffälligsten sei die starke Tendenz gewesen, vermeintliche Gesichter auf Objekten als männlich einzuordnen – auch dann wenn „neutral“ als Wahlmöglichkeit zur Verfügung stand. Dieser Bias konnte laut Studie weder durch bereits bestehende semantische oder visuelle Geschlechtsassoziationen mit den Objekten, noch mit optischen Merkmalen in den Bildern erklärt werden.

Dass illusorische Gesichter häufiger männlich als weiblich erscheinen, sei weniger der Erscheinung auf dem Bild als vielmehr der kognitiven Wahrnehmung geschuldet, mutmaßt das Forschungsteam. Die Studie könne zum Verständnis beitragen, wie das Gehirn die Wahrnehmung von Geschlechtern verarbeitet. Was in der Studie nicht beantwortet werden konnte: Erscheint ein Gesicht auf einem Objekt als wütend, weil es als männlich wahrgenommen wird – oder als männlich, weil es als wütend wahrgenommen wird?