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Ernährung

Veganes Angebot reduziert Fleischkonsum

Je mehr vegane und vegetarische Tagesteller in Kantinen und Mensen zur Auswahl stehen, desto öfter wird auf Fleischgerichte verzichtet. Insgesamt können diese Entscheidungen von Einzelnen ein durchaus wesentlicher Faktor in der Klimakrise sein.

Schnitzel, Hendl oder doch Gemüsecurry? Wenn in Kantinen und Mensen drei verschiedene Tagesteller angeboten werden, bedeutet das meist: zwei Gerichte mit Fleisch und eines ohne. Um herauszufinden, wie das Gewohnheitstier Mensch auf ein größeres vegetarisches und veganes Angebot reagiert, drehte ein Forschungsteam der Universität Oxford dieses Verhältnis für zwei Experimente um.

Das erste Experiment führten sie in einer Mensa an der Universität Oxford durch: Zwischen September 2019 und Jänner 2020 wurde das Angebot von zuvor zweimal Fleisch und ein Mal fleischlos auf ein Mal Fleisch und zweimal fleischlos geändert. Der Verkauf von Tagestellern mit Fleisch sank in diesem Zeitraum um fast 20 Prozentpunkte von durchschnittlich gut 58 Prozent zu Beginn auf knapp 39 Prozent. Der Verkauf von Fleischgerichten in anderen Mensen der Uni veränderte sich im gleichen Zeitraum nicht.

Anstieg auch in Betriebskantinen, aber geringer

Das zweite Experiment wurde in 18 Betriebskantinen an verschiedenen Standorten in ganz England durchgeführt – darunter Lagerhäuser, Produktionsstätten und ein Büro. Der Catering-Anbieter führte ab September 2020 fleischlose Montage ein und erweiterte das Angebot an vegetarischen und veganen Gerichten. Der Verkauf von fleischlosen Mahlzeiten stieg nach acht Wochen von 9,6 Prozent auf 12,4 Prozent.

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Ergänzt wurde die Studienreihe durch eine Untersuchung, bei der Teilnehmende eines Onlineexperiments aus vier Speisen eine auswählen sollten: Das Angebot bestand entweder aus überwiegend Fleischgerichten, überwiegend vegetarischen und veganen Gerichten oder jeweils zwei Fleisch- und zwei fleischlosen Gerichten. Vegetarierinnen und Vegetarier nahmen nicht teil, um sicherzustellen, dass die Teilnehmer frei zwischen den Mahlzeiten wählen konnten.

Das Experiment lief zwischen August und September 2020. Das Ergebnis: Waren gleichermaßen Fleisch- und fleischlose Gerichte im Angebot, entschieden sich 28,5 Prozent der Teilnehmenden für eine fleischlose Option. Dies stieg auf 47,5 Prozent bei mehrheitlich fleischlosem Angebot und ging auf 12,4 Prozent zurück, wenn es mehr Gerichte mit Fleisch zur Auswahl gab.

„Planet und Mensch profitieren“

Die Ergebnisse dieser drei Vorstudien werden in einem Artikel beschrieben, der Ende Jänner im „International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity“ erschien. Ein größeres Angebot an vegetarischen und veganen Tagestellern, und die damit verbundene niederschwelligere Verfügbarkeit, sei demnach ein wirksames Mittel zur Verringerung des Fleischkonsums.

„Es ist dringend notwendig, einen nachhaltigeren Konsum zu fördern, um die Gesundheit des Planeten zu schützen“, so Erstautorin Rachel Pechey. Weniger Fleisch- und Milchkonsum habe zudem erhebliche Vorteile für die eigene Gesundheit. Durch die Änderung von Speiseplänen in großen Kantinen und Mensen könne das Konsumverhalten vieler Menschen „auf vielversprechende Weise“ beeinflusst werden.

Folgen für Klimakrise laut Modell groß

Dass in der Bekämpfung der Klimakrise buchstäblich jeder Bissen zählt, zeigten bereits mehrere Studien. Ein soeben im Fachmagazin „PLOS Climate“ veröffentlichtes Modell beschreibt, wie ein weltweiter Ausstieg aus der Tierhaltung im Laufe der nächsten 15 Jahren den gleichen Effekt wie eine 68-prozentige Reduzierung der CO2-Emissionen bis zum Jahr 2100 haben könnte.

Schweine stehen in einem Stall.
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Die Veränderung sei auf die rasche Reduktion der starken Treibhausgase Methan und dem als Lachgas bekannten Distickstoffmonoxid zurückzuführen; sowie auf die Rückgewinnung von Biomasse auf jenen Flächen, die derzeit der Viehzucht gewidmet sind, so Michael Eisen von der Universität Berkeley und Patrick Brown von der Stanford Universität. Brown ist nicht nur Biochemiker, sondern auch Gründer und CEO von Impossible Foods – einem Unternehmen, das pflanzliche Alternativen der Lebensmittelproduktion entwickelt -, wie in der Studie aus Transparenzgründen angeführt wird.

Gesamtgesellschaftlicher Wechsel „langwierig“

Auch eine im Jänner erschienene Studie zeigt: Schädliche Treibhausgase würden weltweit signifikant sinken, wenn sich die Bevölkerung einkommensstarker Länder pflanzlich ernährte. Emissionen durch Nutztierhaltung könnten demnach eingespart werden, und auch die freien Flächen würden im Kampf gegen die Erderwärmung enorm helfen. Die Bevölkerung der reichen Staaten – wie Österreich – würde zudem gesünder leben; Krankheiten, die auf übermäßigen Fleischkonsum zurückgehen, deutlich abnehmen.

Die Forscherinnen und Forscher, unter ihnen auch Martin Bruckner von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien, wiesen aber darauf hin, dass ein gesamtgesellschaftlicher Wechsel auf pflanzliche Ernährung langwierig und mit vielen Hürden versehen sei. Die Politik müsste dafür mit gezielten Förderungen und Kampagnen tätig werden.

Fleischkonsum „nicht evolutionsbedingt“

Förderungen und Kampagnen, wie sie etwa im Rahmen einer Veränderung von Speiseplänen in Richtung eines vermehrt pflanzlichen Angebots in Kantinen und Mensen denkbar sind. Dass der Verzehr von Fleisch den Menschen erst zum Menschen machte, stellt eine neue Studie, die Ende Jänner im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) veröffentlicht wurde, übrigens infrage. Die weitverbreitete Theorie, Fleisch habe bei der Entwicklung des menschlichen Gehirns die wichtigste Rolle gespielt, halte höchstwahrscheinlich nicht, so das Forschungsteam um Erstautor Andrew Barr von der George-Washington-Universität.

Rekonstruktion eines erwachsenen Homo erectus
Rekonstruktion eines Homo Erectus

Archäologische Funde zeigen zwar einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Zunahme des Fleischkonsums und dem Aufkommen der Spezies Homo erectus – das sei aber kein Beweis, dass beides tatsächlich zusammenhänge. Vielmehr habe sich die Forschung in der Vergangenheit sehr stark auf jenen Zeitraum konzentriert, in dem Homo Erectus auftrat. Laut Barr und seinen Kolleginnen und Kollegen nahmen in besagter Zeitspanne nicht nur die Belege für mehr Fleischkonsum zu, sondern schlicht die Gesamtmenge an Fundgegenständen und Proben.

Das Forschungsteam wertete verschiedene Parameter von 59 Fundorten aus einem Zeitraum von vor 2,6 bis 1,2 Millionen Jahren aus, etwa an wie vielen Fundorten man Spuren von Schnitten mit Steinwerkzeug an Tierknochen fand. Die Anzahl der Schnittspuren nahm im Zeitraum der vielzitierten „Menschwerdung“ laut Studie nicht zu. Laut Barr sollten diese neuen Erkenntnisse nicht nur für die paläoanthropologischen Community von Interesse sein – sondern auch für all jene, die sich in ihren Ernährungsentscheidungen auf die gängige Erzählung stützen, der Mensch sei ein evolutionsbedingter Fleischesser.