Eine Frau spielt Gitarre, zu sehen auf einem Laptop-Monitor
AFP – ANTHONY WALLACE
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Musik

Rhythmus halten mit Trainings-App

Wer Musik macht, weiß, wie schwierig es ist, das Tempo zu halten – oder sogar gegen das Tempo anderer Musikerinnen und Musiker anzuspielen. Mithilfe einer neuen App soll man künftig beim Üben zu Hause das Zusammenspiel mit Anderen trainieren können – und zwar mithilfe von Avataren.

Die neue App mit dem Namen „Tapptapp“ richtet sich an Anfänger und Anfängerinnen genauso wie an Profis.

„Training alone to play together“

Verschiedene Rhythmen, die gleichzeitig gespielt werden – das verlangt Musikerinnen und Musikern besondere Koordinationsfähigkeit ab – Doch wie trainiert man das komplexe Zusammenspiel alleine? Darüber hat sich die Kognitionsforscherin Natalie Sebanz von der Central European University in Wien Gedanken gemacht und ab Juni ein Trainings-Tool speziell für diese Herausforderung entwickelt – die „Tapptapp“-App, eine Abkürzung für „Training alone to play together“.

„Die Idee ist, dass die Leute zum Beispiel mit dem Finger tappen oder singen, aber möglichst unabhängig vom Instrument und von bestimmtem Stücken, damit man diese generelle Fähigkeit trainiert.“ Geübt werde aber nicht mit Musikerkollegen, sondern mit einem Avatar, betont Natalie Sebanz: „Man sieht da ein Gesicht oder eine Figur, je nachdem, wie wir das programmieren.“

Forschungspreis ermöglicht Entwicklung der App

Möglich gemacht wird die Realisierung der App dank eines Förderpreises des Europäischen Forschungsrates ERC. Sieben in Österreich tätige Forscherinnen und Forscher, darunter auch Natalie Sebanz, haben kürzlich einen jeweils mit 150.000 Euro dotierten „Proof of Concept“-Förderpreis (PoC) erhalten. Dieser Preis zeichnet Grundlagenforschung aus, die näher zur Anwendung und zum Markt gebracht werden soll. In eineinhalb Jahren soll die App für Interessierte gratis zur Verfügung stehen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 22.2., 13:55 Uhr.

Basis für die Projektentwicklung waren mehrere Überlegungen: Menschen haben die Tendenz, sich mit anderen in Gleichklang bringen zu wollen. Dem müsse man aber in der Musik oftmals entgegensteuern, so Natalie Sebanz. Genau da soll die „Tapp tapp“-App ansetzen. Mithilfe des Tools sollen Musikerinnen und Musiker ihren eigenen musikalischen Part besser kontrollieren lernen. Und das erfordert eben nicht nur das Integrieren in einen musikalischen Kontext, sondern auch das konsequente Behaupten der eigenen Stimme.

Philipp Glass und Steve Reich als Vorbilder

Die Trainingseinheiten werden in unterschiedlichen Levels aufgebaut sein und richten sich an Hobbymusiker genauso wie an Profis. Damit das Üben auch Spaß macht, wird neben dem Musikwissenschaftler Thomas Wolf auch die Komponistin Maria Salamon an der Entwicklung der App mitarbeiten. Sie wird Sequenzen komponieren, die sich an zeitgenössischer amerikanischer Musik orientieren, wie etwa an Werken des Opernkomponisten Philipp Glass.

Dieser gilt als einer der wichtigsten Vertreter der Minimal Music und ist für seinen hypnotisch-repetitiven Stil bekannt. „Eine Richtung, die man sich vorstellen könnte, wären Motive wie man sie bei Philipp Glass findet, die man dann sowohl synchron als auch abwechselnd oder in verschiedenen Tempi gleichzeitig gegeneinander manchmal sogar richtig ‚ausspielen‘ kann“, erläutert der Musikwissenschafter Thomas Wolf.

Auch die stark auf den Rhythmus fokussierten Werke des Amerikaners Steve Reich, ebenfalls Vertreter der Minimal Music, werden als Inspirationsquelle dienen. Reich arbeitet in seiner Musik mit der Phasentechnik, innerhalb derer musikalische Tonfragmente als Pattern aneinandergereiht werden. Durch unterschiedliche Tempi in den einzelnen Stimmen ergeben sich Phasenverschiebungen, die flirrende Klangflächen entstehen lassen.

Geplant ist, dass die App während der eineinhalb Jahre Entwicklungszeit auch von Musikstudentinnen und -studenten – etwa im Rahmen einer Sommerakademie ausprobiert wird.