Ein Mann sitzt vorne übergebeugt und müde an einem Tisch
Getty Images/fStop/Halfdark
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„Brandbeschleuniger“ für Vorerkrankungen

Fast zwei Drittel der schwer an Covid-19 Erkrankten klagen ein Jahr nach der Infektion noch über Symptome wie Müdigkeit und Schlafstörungen. Allerdings traten sie laut einer Studie nur bei zwölf Prozent erstmalig durch SARS-CoV-2 auf. Das Virus ist eine Art „Brandbeschleuniger“ für neurologische Vorerkrankungen.

Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie die Coronaviren das Nervensystem schädigen können, sagte Christian Enzinger, Neurologe an der Medizinischen Universität Graz, am Montag bei einer Pressekonferenz in Wien. Teils infizieren sie direkt das zentrale Nervensystem, verursachen Gefäßentzündungen, öffnen die Blut-Hirn-Schranke und führen zur Bildung kleiner Blutgerinnsel, die etwa Äderchen im Gehirn verstopfen, wie sein Kollege Raimund Helbok von der Medizinischen Universität Innsbruck herausgefunden habe. Mögliche indirekte Auslöser wären systemische Infektionen, überschießende Reaktionen des Immunsystems und Sauerstoffmangel.

Von Schlafstörungen bis Tinnitus

Die häufigsten neurologischen Symptome ein Jahr nach einer Coronavirus-Infektion sind laut einer Innsbrucker Studie Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Geruchs-, sowie Geschmacksstörungen, Vergesslichkeit und Kopfschmerzen. Viele Patientinnen und Patienten klagen auch über Gliedmaßenschwäche und Schwindel. Halluzinationen, Tinnitus (Geräusche ohne zuordenbare Schallquelle) und Ohnmachtsanfälle traten ebenfalls auf.

Für die Studie wurde der Gesundheitszustand von 81 „Long Covid“-Patienten und -Patientinnen ein Jahr lang untersucht. Bei 64 Prozent von ihnen zeigten sich auch nach zwölf Monaten neurologische Symptome. Allerdings: Nur bei zwölf Prozent von ihnen waren die Beschwerden vorher nicht aufgetreten oder bekannt gewesen, so Enzinger. Sie wurden demnach meist durch Covid-19 verstärkt, aber nicht ursprünglich ausgelöst.

Die Pressekonferenz fand anlässlich der 19. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie statt (18. bis 20. Mai in Graz). „850 Neurologinnen und Neurologen werden die neuesten medizinischen Erkenntnisse diskutieren und wie man aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse in die Praxis überführen kann“, so Petra Schwingenschuh von der Universitätsklinik für Neurologie der Medizinischen Universität Graz.