Spritze mit Tropfen an der Nadel
APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand
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Medizin

Vor 20 Jahren wurde Europa poliofrei

Vor 20 Jahren, am 21. Juni 2002, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Europa für poliofrei erklärt. Weltweit betrachtet steigt heute das Risiko neuer Fälle – wegen neuer Konflikte, der Vertreibung von Bevölkerungen und der Coronavirus-Pandemie.

Routine-Impfungen, zu denen auch Polio gehört, seien in den Pandemiejahren in vielen Ländern unterbrochen worden, sagt Oliver Rosenbauer von der Polio-Ausrottungsinitiative der WHO in Genf. „In einigen Regionen sind Kinder nun einem höheren Risiko durch Infektionen wie Polio ausgesetzt“, sagt er. „Dadurch steigt auch das Risiko, das Polio sich international wieder ausbreitet.“

Jedes Jahr eine Milliarde Impfungen

Polio – oder auch Kinderlähmung – ist eine ansteckende Infektionskrankheit, die Lähmungen auslösen und zum Tod führen kann. Vor allem bei Kleinkindern können dauerhafte Schäden bleiben. Verbreitet wird das hoch ansteckende Virus oft über verunreinigtes Wasser. Eine vollständige Heilung gibt es bisher nicht.

In den vergangenen zehn Jahren wurden nach WHO-Angaben rund zehn Milliarden Impfdosen verabreicht. Ohne diesen Einsatz hätten nach ihren Angaben 6,5 Millionen Kinder Kinderlähmung bekommen.

Einzelfälle, die sich mehren

Das Risiko einer neuen Ausbreitung in zur Zeit poliofreien Ländern ist real. Bis vor Kurzem zirkulierte das wilde Poliovirus praktisch nur noch in Pakistan und Afghanistan, mit je einer Handvoll Fällen. Aber in diesem Jahr wurden erstmals seit 2016 wieder Fälle in Malawi gemeldet, und in Mosambik, eingeschleppt vermutlich aus Pakistan. Afrika war erst 2020 als poliofrei deklariert worden. Auch in der WHO-Europaregion, die sich von Turkmenistan bis nach Israel erstreckt, kommt es immer wieder zu vereinzelten Fällen.

Es gibt aber neben dem Wildvirus auch Einzelfälle, bei denen eine abgeschwächte Erkrankung durch Lebendimpfstoff ausgelöst wird. Weltweit waren es nach WHO-Angaben in zehn Jahren weniger als 800 Fälle. In Österreich ist eine inaktivierte Polio-Impfung im Rahmen der Sechsfach-Impfung im ersten Lebensjahr enthalten.

Impfungen als Schlüssel

Der Schlüssel zur Polio-Ausrottung ist das Ende des Wildvirus, sagt Rosenbauer. Wenn der nicht mehr zirkuliert, seien Impfungen nicht mehr nötig und die Gefahr von Impfpolio damit beseitigt. „Solche Impftypen entwickeln sich nur dort, wo nicht genügend geimpft wird“, sagt er. Das passierte nach Angaben der Ausrottungsinitiative jüngst noch in Israel und der Ukraine, vor dem Krieg.

Die WHO arbeitet mit Hochdruck an einer Endstrategie. Bis 2026 sollen jedes Jahr 370 Millionen Kinder in 50 Ländern geimpft werden. Dazu sind 4,8 Milliarden Dollar nötig, die im Oktober bei einer Geberkonferenz in Berlin zusammenkommen sollen.