Geophysik

„Müsli-Effekt“ am Meeresboden

In Mischungen aus verschieden großen und schweren Elementen sorgt die Schwerkraft dafür, dass die feinkörnigen eher nach unten sinken und die größeren Teilchen weiter oben landen. Das lässt sich etwa in Müslis beobachten, weswegen das Phänomen als „Müsli-Effekt“ bekannt ist. Dass dieser auch die Schichtenabfolge am Meeresboden durcheinanderbringen kann, berichtet nun ein Forschungsteam.

Freunde von Nussmischungen ist der Effekt ebenso bekannt, wie Frühstückscerealien-Fans: Die großen Cashew- oder Paranüsse finden sich in der Packung meist oben, während die kleinen Erdnüsse tendenziell in großer Zahl den Schachtelboden besiedeln. Demzufolge nennt sich das Phänomen auf englisch „Brazil nut effect“ – also Paranuss-Effekt. Dafür verantwortlich ist das simple Faktum, dass kleinere Partikel schwerkraftbedingt leichter den Weg nach unten finden, wenn Bewegung in das heterogene Gemisch kommt.

Geschieht dies recht rasch, wie etwa bei einem holprigen Transport eines Müslis vom Supermarkt nach Hause, können diese Abläufe von der Wissenschaft sehr gut nachvollzogen werden, heißt es am Donnerstag in einer Aussendung der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Zusammen mit Forschern vom Institut de Physique du Globe (IPGP) in Paris hat sich ZAMG-Geophysiker Ramon Egli nun aber auf die Spuren des Phänomens am Meeresboden gemacht. Dort finden sich nämlich auch größere Brocken, wie etwa Haifischzähne, Manganknollen oder relativ grobkörnige Überbleibsel von Meteoriteneinschlägen mitunter überzufällig häufig in höheren Ablagerungsschichten als eigentlich zu erwarten wäre. Großflächiger sozusagen umgerührt wird am Meeresgrund jedoch in der Regel nicht.

Effekt in Superzeitlupe

Ob der Effekt dort trotzdem eine Rolle spielt, hat das Team anhand eines markanten Ereignisses untersucht, das seine Spuren am Boden des Indischen Ozeans hinterlassen hat. Dort finden sich bis zu zwei Millimeter große Glaskügelchen, die ihren Ursprung in einem großen Meteoriteneinschlag in Südostasien vor rund 788.000 Jahren haben.

„Auch in diesem Fall liegen die meisten größeren Glaskügelchen oberhalb der kleineren. Auf den ersten Blick wirkt das, als hätten die größeren, oben liegenden Glaskügelchen den Ozeanboden erst bis zu 3.000 Jahre später erreicht. Das ist aber nicht so“, so Egli. Tatsächlich wirke auch hier der „Müsli-Effekt“ – allerdings in quasi Superzeitlupe: „Verantwortlich für diese Umverteilung ist eine vier bis 20 Zentimeter dicke Schicht unter der Sedimentoberfläche, die von den darin lebenden Organismen langsam durchgemischt wird. Größere Objekte, wie Haifischzähne, können dabei genügend lang auf der Sedimentoberfläche bleiben, um als Wachstumskeime für Manganknollen zu dienen.“

Zehn Milliarden Mal langsamer

In ihrer im Fachmagazin „Scientific Reports“ vorgestellten Studie konnten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen anhand von Modellen zeigen, dass der Effekt in geologischen Prozessen zwar um die zehn Milliarden Mal langsamer abläuft als in Laboruntersuchungen, er aber trotzdem zum Tragen kommt. „Unser Ansatz war: Können wir derart langsame geologische Prozesse mit dem Müsli-Effekt erklären? Die Antwort ist: Ja, das ist möglich. Die Ergebnisse der Simulationen ergaben ähnlich Verteilungen der Teilchengrößen, wie wir sie auch in Ozeanproben beobachtet haben“, erklärte der ZAMG-Forscher.

Die neuen Erkenntnisse könnten nun u.a. dabei helfen, langfristige Klimamodelle zu verbessern. Da sich in Meeresablagerungen Hinweise auf das frühere Klima erhalten, sind sie eine wichtige Informationsquelle. Wenn nun genauer nachvollzogen werden kann, wie die geschichteten Ablagerungen durch den „Müsli-Effekt“ nachträglich durcheinandergeraten, kann die Klimahistorie exakter abgebildet werden, so die Idee.