Mögliche Therapie

Wie sich hungernde Krebszellen ernähren

Krebszellen wachsen oft in einer nährstoffarmen Umgebung. Sie bewältigen dies, indem sie auf Proteine als alternative Nahrungsquelle umsteigen. Ein neu entdecktes Protein könnte ein möglicher Weg sein, Krebszellen gezielt auszuhungern.

Bevorzugtes Nahrungsmittel für Zellen sind üblicherweise freie Aminosäuren, die Bausteine von Proteinen, die mit dem Blut angeliefert werden. Wenn Krebszellen in schlecht mit Blut versorgtem Tumorgewebe wenige Nährstoffe zur Verfügung stehen, können sie ihre Ernährung umstellen und auf den Abbau von Proteinen in ihrer Umgebung umschalten. Bisher wurden die Mechanismen dieser Umstellung nicht gut verstanden.

Das Protein, das ein Forschungsteam aus Wien und Heidelberg nun identifizierte, ermöglicht den Krebszellen den Umstieg auf Nahrungsalternativen – und gerade das könnte wiederum ein Weg sein, sie auszuhungern. Eine Studie dazu wurde im Fachjournal „Science“ veröffentlicht.

Krebszellen wurden Aminosäuremangel ausgesetzt

Das Team um Johannes Zuber vom Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien und Wilhelm Palm vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg hat in seiner Arbeit Krebszellen einem Aminosäuremangel ausgesetzt wie er in vielen Tumoren auftritt. Mit der Genschere CRISPR-Cas9 schalteten sie dann einzeln Gene aus, um Komponenten zu identifizieren, die an der Umstellung der Nährstoffquelle beteiligt sind.

Die Forscherinnen und Forscher entdeckten dabei ein bisher nicht charakterisiertes Protein, das ausschließlich dann eine Rolle spielt, wenn sich die Krebszellen mangels üblicher Nährstoffe von Proteinen aus der Umgebung ernähren: LYSET (Lysosomal Enzyme Trafficking Factor) ist entscheidend für die Funktion der sogenannten Lysosomen, die auch als „Magen der Zelle“ bezeichnet werden. Diese kleinen Zellstrukturen enthalten u. a. Enzyme, um Fremdstoffe oder körpereigene Stoffe wie Proteine abzubauen.

Tumorentwicklung stark verlangsamt

Weitere Experimente wiesen darauf hin, dass LYSET eine zentrale Komponente jenes Stoffwechselwegs (Mannose-6-Phosphat) ist, der für den Nachschub an Verdauungsenzymen an die Lysosomen sorgt. Fehlt LYSET, fehlen den Krebszellen die Enzyme in ihren Lysosomen und sie können nicht mehr zur alternativen Nährstoffquelle wechseln.

In mehreren Mausmodellen zeigten die Forscherinnen und Forscher, dass dann die Tumorentwicklung stark verlangsamt ist. Zuber sieht deshalb in LYSET und dem Mannose-6-Phosphat-Weg einen möglichen molekularen Ansatzpunkt, um bei Krebszellen in den Stoffwechsel therapeutisch einzugreifen.