Spritze und Impfstofffläschchen
Adobe Stock/Daniel CHETRONI
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Influenza

Die Suche nach dem Universalimpfstoff

Impfungen gegen saisonale Grippeviren werden jedes Jahr an den zirkulierenden Grippestamm angepasst. Ein Universalimpfstoff würde das überflüssig machen. Vielversprechende Kandidaten gibt es bereits, ein neuer Impfstoff aus den USA könnte darüber hinaus auch vor künftigen Grippepandemien schützen.

„Wir müssen damit rechnen, dass wir innerhalb der nächsten Wochen tatsächlich eine epidemische Grippeaktivität in Österreich sehen. Die nächste Grippewelle steht also direkt vor der Tür“, erklärt die Virologin Monika Redlberger-Fritz von der Medizinischen Universität Wien. Für die Medizin ergibt sich daraus wie jedes Jahr die Frage, wie gut der heurige Impfstoff wirkt. Denn welche Virenstämme darin enthalten sind, musste schon Monate vorher entschieden werden.

20 bekannte Subtypen

Grippevirus ist nämlich nicht gleich Grippevirus, merkt Redlberger-Fritz gegenüber science.ORF.at an. Insgesamt 20 Subtypen des Virus sind mittlerweile bekannt – vor allem zwei davon, die sogenannten H1- und H3-Viren, zirkulieren in Menschen. Die jährliche Schutzimpfung muss dabei immer an die unterschiedlichen Virusvarianten angepasst werden, um in der Wintersaison für den bestmöglichen Schutz zu sorgen.

Universalimpfung gegen saisonale Viren

Die jährliche Anpassung wäre aber überflüssig, gäbe es einen Universalimpfstoff gegen alle bekannten Influenzaviren. Schon länger wird nach einem solchen Vakzin gesucht. Die vielen verschiedenen Virus-Subtypen erschweren aber die Forschung. „Wir haben das Problem, dass es sich beim Influenzavirus um ein sehr variables Virus handelt, das sich ständig durch Mutationen ändert“, so Redlberger-Fritz.

Ein paar vielversprechende Kandidaten für einen Universalimpfstoff gegen die saisonalen Viren gibt es aber bereits. Die in New York tätigen österreichischen Virenforscher Florian Krammer, Peter Palese und Raffael Nachbagauer arbeiten unter anderem an einem Impfstoff, mit dem man nach zwei bis drei Impfungen lebenslänglich vor Influenzaviren geschützt sein soll. Die saisonalen Grippeimpfungen wären damit überflüssig.

Lehren aus der Pandemie

Mit den weltweiten Bemühungen rund um die SARS-CoV-2-Schutzimpfung haben sich nun auch im Bereich der Influenzaviren einige Türen geöffnet. „Wir haben durch die SARS-CoV-2-Pandemie und die dabei entstandenen Impfstoffe sehr viel Neues gelernt – auch bezüglich der Technologie“, so Redlberger-Fritz. Vor allem die in manchen CoV-Schutzimpfungen eingesetzte mRNA-Technologie wurde dabei in den letzten Jahren in den Vordergrund gerückt. „Diese mRNA-Technologie versucht man derzeit eben auch für den Schutz gegen Influenzaviren einzusetzen“, erklärt die Virologin.

Pandemischer Universalimpfstoff

Ein mRNA-Universalimpfstoff gegen die Grippe könnte bei den saisonalen Grippewellen natürlich helfen und die jährliche Anpassung des Vakzins überflüssig machen – er wäre laut Redlberger-Fritz aber vor allem auch dann wichtig, wenn die nächste Influenza-Pandemie bevorsteht. Dass es irgendwann dazu kommt, ist laut der Virologin mehr als wahrscheinlich: „Es ist leicht möglich, dass sich ein neuer Subtyp des Influenzavirus entwickelt, oder dass eine Virusvariante von Tieren auf uns Menschen übertragen wird, gegen die wir noch keine Abwehrmechanismen haben. Wenn das der Fall ist, könnte sich das Virus schnell auf der ganzen Welt verbreiten.“

Das bekannteste Beispiel einer Influenza-Pandemie ist die „Spanische Grippe“ aus dem Jahr 1918. Schätzungen zufolge starben damals bis zu 50 Millionen Menschen. Auch wenn die Folgen einer derartigen Pandemie aufgrund des medizinischen Fortschritts heute milder ausfallen würden, müsse man sich schon jetzt auf den Ernstfall vorbereiten. „Da schon einen Impfstoff parat zu haben, der auch gegen alle möglichen zukünftig kommenden Virusvarianten hilft – das wäre wichtig und das ist auch das aktuelle Ziel von einigen internationalen Forscherinnen und Forschern“, so Redlberger-Fritz.

Impfstoff voller Antigene

Ein derartiger Universalimpfstoff ist derzeit in den USA in Entwicklung. Das auf mRNA-Technologie basierende Vakzin, das aktuell im Fachjournal „Science“ präsentiert wird, enthält Antigene gegen alle zwanzig bekannten Influenza-Subtypen. Im Tierversuch hat sich gezeigt, dass der Impfstoff zwar nicht vor einer Infektion, dafür aber vor schweren Verläufen schützen kann.

Der Einsatz von Antikörpern gegen alle zwanzig Influenza-Subtypen ist eine Neuheit und soll ermöglichen, eine generelle Grundabwehr gegen alle Influenzaviren aufzubauen – auch, wenn diese bisher erst in Tieren zirkulieren. Sobald ein Subtyp dann auf den Menschen überspringt, wäre so gleich eine grundlegende Immunabwehr gegen das Virus gegeben.

Offene Fragen

Der neue Ansatz aus den USA hat laut Redlberger-Fritz auf jeden Fall Potenzial. Noch sei aber weitere Forschung nötig, um den Impfstoff auch tatsächlich in der Praxis einsetzen zu können. Vor allem die Frage, wie stark die Impfdosis sein muss, um für einen so umfangreichen Schutz zu sorgen, ist laut der Virologin noch genau zu klären. „So viele Antigene brauchen wahrscheinlich eine große mRNA-Menge, die im Vakzin enthalten sein muss. Da muss man aber genau abwiegen, welcher Nutzen und welches Risiko daraus entstehen“, so Redlberger-Fritz.

Einerseits müsse die Impfdosis stark genug sein, dass die Menschen auch entsprechend darauf ansprechen, andererseits muss so wenig mRNA verimpft werden, dass es zu möglichst wenigen Nebeneffekten und Impfreaktionen kommt. „Da sind eben dann die ersten klinischen Studien an Menschen ganz wichtig“, so die Virologin.

Jetzt schützen!

Bis der mRNA-Universalimpfstoff gegen Influenzaviren tatsächlich in der Praxis eingesetzt wird, könnte es also noch dauern. Bis es so weit ist rät Redlberger-Fritz aber, die verschiedenen Impfaktionen in Österreich zu nutzen, um so zumindest für die heurige Wintersaison bestmöglich geschützt zu sein. „Wenn man noch nicht geimpft ist, wäre jetzt der ideale Zeitpunkt, sich noch vor der anstehenden Grippewelle darum zu kümmern“, so die Virologin.