Kind, krank, Fieber
Suzi Media – stock.adobe.com
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RS-Viren

Behandlung und Impfungen in Aussicht

RS-Viren verbreiten sich in der aktuellen Verkühlungssaison ungewöhnlich stark. Effektive Behandlungen gibt es bis jetzt nur für Neugeborene, die ein besonders hohes Risiko für schwere Verläufe haben. In den nächsten Jahren könnte sich das aber ändern – neue Behandlungsmethoden und mehrere Impfstoffkandidaten sind bereits in der Zielgeraden.

Mit dem saisonal auftretenden Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV) infizieren sich die meisten Menschen immer wieder. Normalerweise leiden sie dann nur unter einfachen Verkühlungssymptomen wie Schnupfen und Husten.

Vor allem für Kleinkinder unter einem Jahr kann das Virus aber zum echten Problem werden und zu Atemschwierigkeiten bzw. sogar zu Atemnot führen. Im Ernstfall müssen die Kinder künstlich beatmet werden. In den österreichischen Spitälern werden derzeit fast jeden Tag weitere Betten an Kinder vergeben, die mit einer RSV-Infektion kämpfen.

Fehlende Therapiemöglichkeiten

Schätzungen zufolge infizieren sich in Österreich etwa 54.600 Kinder im ersten Lebensjahr mit RSV, davon erreicht das Virus bei 11.000 bis 22.000 Kindern die tiefen Atemwege. Von diesen Kindern müssen im Durchschnitt rund 1.100 wegen der Infektion hospitalisiert werden.

Tatsächlich effektive Behandlungsmethoden gibt es derzeit kaum. Wirksame Impfstoffe sind noch nicht verfügbar, und auch die Behandlung akuter Fälle ist oft eine Herausforderung, weiß der Facharzt für Kinderheilkunde, Martin Wetzke, von der Medizinischen Hochschule Hannover. „Wir können die Kinder mit RSV-bedingten Atemwegsproblemen derzeit ausschließlich symptomatisch therapieren“, erklärt er gegenüber science.ORF.at. Konkret bedeutet das: die Versorgung mit zusätzlichem Sauerstoff, das Anschließen an Beatmungsgeräte und Unterstützung bei der Ernährung.

Prävention nur für Risikokinder

Wetzke sieht daher großen Bedarf für neue, wirksame und auch leistbare Behandlungsmöglichkeiten. Bis dato gibt es nur eine passive Immunisierung in Form von Antikörperspritzen. Die Therapie mit Palivizumab ist in Österreich bereits seit 1999 zugelassen.

Für die akute Behandlung von bereits bestehenden RSV-Infektionen ist Palivizumab jedoch nicht geeignet, es dient lediglich zur Prävention. Außerdem ist es nur für Kinder mit einem sehr hohen Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf verfügbar. Dazu zählen Frühgeborene sowie Kinder mit angeborenen Herz- oder Lungenproblemen.

Dass Palivizumab nicht breiter zum Einsatz kommt, liegt laut Wetzke vor allem an den Kosten: „Die Kinder müssen während der Saison alle 28 Tage eine Spritze bekommen. Das ist natürlich aufwendig und unangenehm für die Familien, außerdem kostet eine einzige Injektion je nach Gewicht des Kindes zwischen 500 und 1.000 Euro.“

Leistbare Antikörperinjektion

An effektiveren Behandlungsmethoden wird weltweit geforscht, große Hoffnung steckt Wetzke etwa in eine neue Antikörperimmunisierung namens Nirsevimab. Dabei handelt es sich wie bei Palivizumab um Spritzen mit RSV-Antikörpern, die aber einige Vorteile haben. „Das Nirsevimab ist so modifiziert, dass es eine deutlich längere Halbwertszeit hat. Das heißt, dass die Kinder nur einmal zu Beginn der Saison eine Spritze bekommen müssen“, so Wetzke.

Durch die einmalige Injektion, die rund 180 Tage vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen soll, sinkt auch der Preis – zumindest im Vergleich zu einer Behandlung mit Palivizumab. „Wir werden damit viel mehr Kindern einen Schutz anbieten können“, meint Wetzke optimistisch.

Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat Nirsevimab bereits zugelassen. Der deutsche Facharzt geht davon aus, dass die neuen Antikörperspritzen in den kommenden ein bis zwei Jahren tatsächlich verfügbar sein werden.

Suche nach Impfstoffen

In naher Zukunft könnte es allerdings auch wirksame Impfstoffe gegen das RS-Virus geben, die alle Altersgruppen vor der Infektion schützen könnten. Geforscht wird etwa an Impfungen, die den Patientinnen und Patienten direkt verabreicht werden, aber auch Vakzine für Schwangere sind in Entwicklung, die Neugeborene schützen sollen.

„Derzeit gibt es zehn Impfstoffkandidaten in der klinischen Forschung, einige Phase-III-Studien sind bereits abgeschlossen. Wir erwarten, dass erste Impfstoffe in absehbarer Zukunft eine Zulassung erhalten werden“, erklärt Christoph Jandl, der Generalsekretär des Österreichischen Verbandes der Impfstoffhersteller (ÖVIH), in einer Aussendung.

Antikörper gegen Virenprotein

Viele Impfstoffkandidaten in Entwicklung wirken, indem sie die Bildung von Antikörpern gegen das Fusions-F-Protein von RSV anregen. Das Protein sorgt dafür, dass sich das Virus mit den anderen Zellen im Körper verbinden kann, um so das Virenerbgut auf sie zu übertragen. „Dieses F-Protein ist aus immunologischer Sicht ganz wichtig, weil es einen Ansatzpunkt bietet, eine Immunisierung gegen RSV aufzubauen“, erklärt Wetzke.

Von dem Protein gibt es verschiedene Formen – die Präfusions-F-Konformation und die Postfusions-F-Konformation. Während sich ältere Impfstoffkandidaten eher mit letzterer Variante beschäftigten, steuern neuere Entwicklungen meist die Präfusionsform des Proteins an. „Es hat sich gezeigt, dass damit in den meisten Fällen eine bessere Immunisierung erreicht werden kann“, erklärt Wetzke.

Davon zeugt auch eine wissenschaftliche Studie, die aktuell im Fachjournal „Science Translational Medicine“ präsentiert wird. Darin verglichen Forscherinnen und Forscher beide Impfansätze und kamen zu dem Ergebnis, dass mit den Präfusions-F-Injektionen mehr Antikörper gegen das RSV-Protein gebildet wurden.

Symptome ernst nehmen

Bis es tatsächlich zu einer Ausrollung der RSV-Impfstoffe kommt, könnte es noch ein paar Jahre dauern. Bis die Impfungen und neuen Antikörperimmunisierungen wie etwa Nirsevimab verfügbar sind, bleibe den Ärztinnen und Ärzten nichts anderes übrig als weiterzumachen wie bisher, so Wetzke.

Eltern rät der Facharzt, saisonale Verkühlungssymptome ihrer Kinder genau zu beobachten und im Ernstfall schnell zu reagieren. „Immer dann, wenn die unteren Atemwege betroffen sind, ist ein Gang zum Arzt sicher sinnvoll. Das heißt, wenn das Kind viel hustet, wenn es kaum Luft bekommt und wenn es vor allen Dingen auch hohes Fieber dabei hat, dann sollte man sich sicherheitshalber beim Kinderarzt vorstellen.“