Ameisen unter dem Mikroskop
APA/dpa/Andreas Arnold
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Ameisen und Tintenfische

Innovationen, inspiriert von der Natur

Immer öfter lassen sich Forscherinnen und Forscher bei technischen Innovationen von der Natur inspirieren. Verpackungen nach dem Vorbild von Tintenfischhaut und Früherkennung von Krebs mit der Hilfe von Ameisen sind nur zwei der beeindruckendsten Beispiele aus wissenschaftlichen Studien in diesem Jahr.

„Die Natur hat Hunderte Millionen Jahre damit zugebracht, elegante Lösungen für extrem komplizierte Probleme zu entwickeln“, sagt Alon Gorodetsky von der Universität von Kalifornien. „Wenn wir uns an ihr orientieren, können wir Zeit sparen und leicht funktionierende Lösungen finden.“ Die Natur sei „die Quintessenz der Innovation und der Erfindung“, so Gorodetsky, der selbst an Versuchen mit Tintenfischhaut arbeitet.

Tintenfische verfügen an der Hautoberfläche über Chromatophoren, die abrupt ihre Größe und Farbe verändern können. Gorodetsky, Koautor einer Studie in „Nature Sustainability“, hat nach ihrem Vorbild „kleine metallische Gebilde“ entwickelt, die auseinander- und zusammengezogen werden können und so eine Verpackung bilden, die Wärme regulieren kann. Damit könnte in der Zukunft etwa Kaffee und Pizza zum Mitnehmen warm gehalten werden können.

Okra zur Stillung von Blutungen

Ein weiteres Beispiel: Okra, eine tropische Pflanze, die viel in afrikanischen Rezepten verwendet wird, kann in der Medizin Wunder wirken. Malcolm Xing von der Universität von Manitoba in Kanada hat das grüne, klebrige Gemüse untersucht und festgestellt, dass sich der getrocknete Saft von Okra pulverisieren und in ein bioadhäsives Gel verwandeln lässt. Bei Operationen angewandt kann dieses Gel Blutungen stoppen, wenn es wie ein natürlicher Verband aufgelegt wird.

Das Okragel ist laut der Studie schon an Herz und Leber von Hunden und Kaninchen getestet worden und hat innerhalb von einer Minute Blutungen gestillt, ohne dass genäht werden musste. Versuche an Menschen sind für die nächsten Jahre vorgesehen.

Glühwürmchen als Vorbild für Roboter

Glühwürmchen hat ein Forschungsteam am Massachusetts Institute of Technology (MIT) angeregt, Minidronen zu entwickeln, die beim Fliegen leuchten. Im Rahmen der Studie wurden geflügelte Roboter mit künstlichen Muskeln, sogenannten Stellgliedern, mit Leuchtpartikeln ausgestattet. Wenn diese Leuchtdronen mit Sensoren versehen werden, könnten sie bei Rettungsaktionen in eingestürzten Häusern eingesetzt werden, wo größere Roboter nicht hinein passen.

Krebsfrüherkennung mit Ameisen

Die Krebsfrüherkennung mit konventionellen Methoden wie MRT oder Mammografie ist oft invasiv und teuer. Deshalb setzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr und mehr auf Tiere: Hunde kommen da zum Einsatz, aber auch Ameisen. Für eine Studie der Universität Sorbonne Paris Nord, die noch nicht von unabhängigen Experten geprüft wurde, wurde Ameisen Zuckerwasser als Belohnung gegeben, um sie zu trainieren, das Urin von Mäusen mit und ohne Krebs zu unterscheiden.

Eine Hundertschaft Ameisen hat es geschafft, Eierstockkrebs und zwei verschiedene Formen von Brustkrebs zu 95 Prozent richtig zu erkennen. Während Hunde mindestens sechs Monate brauchen, um in der Krebserkennung geschult zu werden, können die Ameisen das in weniger als einer Stunde lernen.

Kuhspeichel zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten

Und eine im September im Fachjournal „Advanced Science“ veröffentlichte Studie zeigt, dass Speichel von Kühen wirksam gegen die Verbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV oder Herpes eingesetzt werden kann. Der Schleim enthält ein Protein namens Muzin, das antiviral wirken könnte. Forscher haben dieses Protein aus den Speicheldrüsen von Kühen extrahiert und in ein Gel verwandelt, das kleine Viren umschließen und so eliminieren könnte.

Laborversuche haben gezeigt, dass dieses Gleitmittel das Risiko der Übertragung von HIV um 70 Prozent senken konnte, bei Herpes sogar um 80 Prozent. Diese Arbeiten sind aber noch im Frühstadium und müssen – im Gegensatz zu wirksamen Schutzmaßnahmen wie Kondomen – noch weiter getestet werden.