Menschlicher Schädelknochen mit einem Loch
Trepanation

Schädeloperationen schon in der Bronzezeit

Von einem aufsehenerregenden Fund berichtet heute ein archäologisches Forschungsteam: In der antiken Metropole Megiddo, Israel, wurden 3.500 Jahre alte Knochen eines Brüderpaares entdeckt. Einer der beiden weist Anzeichen einer Schädeloperation auf.

Megiddo war in der Bronzezeit einer der bedeutendsten Stadtstaaten im Einflussgebiet der Kanaanäer sowie ein wichtiger Knotenpunkt der Handelsstraße zwischen Ägypten, Syrien, Anatolien und Mesopotamien. Die Fundstätte, von der nun Forscherinnen und Forscher um die Archäologin Rachel Kalisher im Fachblatt „Plos One“ berichten, liegt unweit des Pantheons: eine Grabkammer im Souterrain, direkt unter den Räumen eines Wohnhauses gelegen, darin die Skelette von zwei erwachsenen Männern.

Dass es sich bei den beiden um Brüder handelt, wissen die Forscher und Forscherinnen durch eine DNA-Analyse. Weitere Details lassen sich vom Fundort ableiten: In der Grabkammer befinden sich etwa wertvolle Keramiken aus Zypern sowie die Überreste von Lebensmitteln – dies und das für damalige Verhältnisse luxuriöse Gebäude weisen darauf hin, dass es sich bei den beiden auch um hochgestellte Persönlichkeiten, jedenfalls um Mitglieder der wohlhabenden Oberschicht handelte.

Loch im Kopf

Doch beide waren zeit ihres Lebens schwer krank, wie Studienautorin Kalisher nach Inspektion der Knochen herausgefunden hat. Neben Erbdefekten litten die beiden auch unter einer schweren Infektionskrankheit, vermutlich Lepra oder Tuberkulose.

Bei einem der beiden Brüder fand Kalisher außerdem eine sehr auffällige Knochenveränderung: ein quadratisches Loch im Schädel – offenbar das Ergebnis einer Trepanation, also einer Operation, bei der der Schädelknochen mit einem scharfen Gegenstand aufgestemmt wurde.

Archäologische Ausgrabungsstätte in Megiddo, Israel
Die Ausgrabungsstätte in Megiddo, Israel

Der Zweck des Eingriffs war wohl ein medizinischer. Man habe versucht, den Mann von seinem Leiden zu befreien, sagt die Archäologin der Brown University. Direkt nachweisen könne sie das zwar nicht, „aber es ist naheliegend, zwischen Krankheit und Operation eine Verbindung zu sehen“, so Kalisher im Ö1-Gespräch.

„Opium und Alkohol üblich“

Das Ziel der Heilung wurde nicht erreicht, denn der Patient starb kurz nach der Operation. Ansonsten wirft der Fund einige Fragen auf, allen voran diese: Wie war es für den Betroffenen überhaupt möglich, einen so schmerzhaften Eingriff zu ertragen? Zwar habe es damals naturgemäß noch keine modernen Anästhetika gegeben, so Kalisher, „doch Alkohol und Opium waren in dieser Region sehr wohl üblich“. Diese beiden Substanzen könnten also zu einem gewissen Grad für Betäubung gesorgt haben.

Der nun beschriebene Fund ist zwar der älteste dieser Art in bzw. im Umkreis von Mesopotamien, gleichwohl einer, der sich einfügt in die lange Geschichte der Trepanationen. Belege solcher Eingriffe wurden bereits an vielen archäologischen Fundstätten entdeckt, von Südamerika über Afrika bis nach Asien. Die ältesten dürften gar in die Zeit der neolithischen Revolution zurückreichen.

Auch spirituelle Motive?

Sind Trepanationen in gewisser Hinsicht sogar typisch für die menschliche Kultur? Hier gelte es zwei Aspekte zu unterscheiden, sagt Kalisher. Da sei zum einen die Technologie: „Tote Menschenkörper waren in früheren Zeiten viel eher Teil des Alltags als heutzutage, insofern ist zu erwarten, dass es damals auch anatomisches Wissen gab. Dass solche Operationstechniken immer wieder unabhängig in verschiedenen Kulturen entwickelt wurden, überrascht mich eigentlich nicht.“

In Ermangelung schriftlicher Dokumente schwieriger zu beantworten sei indes die Frage des dahinterstehenden Weltbilds. Was wir heute als medizinischen Eingriff bezeichnen, sei möglicherweise ebenso ein spiritueller Akt gewesen, betont Kalisher. Und hier sei vom Entweichen von Dämonen aus dem Kopf bis hin zu religiösen Motiven im klassischen Sinne alles denkbar – und somit letztlich Spekulation.

Dass der Eingriff einem Mitglied der Oberschicht zuteilwurde, war jedenfalls kein Zufall. Hätten die beiden Brüder dem normalen Volk angehört, wären sie aufgrund ihrer Krankheiten wohl schon viel früher gestorben.