Wasser, Plastikflaschen, Trinkwasser
showcake – stock.adobe.com
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UNO-Bericht

Das Problem mit den Wasserflaschen

Für die einen ist es überlebenswichtig, für die anderen ein richtig gutes Geschäft: Trinkwasser. Der Handel mit Wasser in Plastikflaschen boomt – Bemühungen, alle Menschen mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, bleiben hingegen auf der Strecke. Das kritisieren Fachleute in einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen.

Pro Minute werden weltweite über eine Million Wasserflaschen verkauft. Gleichzeitig gibt es aber immer noch Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben oder täglich mehrere Kilometer dafür zurücklegen müssen. Weltweit sind das rund zwei Milliarden Menschen, heißt es in einem aktuellen Bericht der Vereinten Nationen (UNO).

Dass der Zugang zu sauberem Trinkwasser immer noch so vielen Menschen verwehrt ist, stößt bei den Expertinnen und Experten der UNO auf Kritik. Demnach sollten die Bemühungen um eine weltweit gesicherte Wasserversorgung bereits deutlich weiter fortgeschritten sein.

Handel mit Wasser aus Plastikflaschen boomt

Immerhin haben die UNO-Mitgliedstaaten schon im September 2015 die global gültigen Ziele für eine nachhaltige Entwicklung beschlossen. Darin inkludiert sind auch Bemühungen, bis zum Jahr 2030 allen Menschen sauberes Trinkwasser zu gewährleisten. Aktuell sei man jedoch noch weit davon entfernt, das Ziel tatsächlich zu erreichen, heißt es im Bericht der UNO.

Gleichzeitig boomt der weltweite Handel mit Wasser aus Plastikflaschen. Eine Analyse von Untersuchungen und Studien aus 109 Ländern hat ergeben, dass sich die Wasserflaschenindustrie in den letzten fünfzig Jahren zu einem bedeutenden Wirtschaftssektor entwickelt hat, der vor allem in der Lebensmittelbranche seinesgleichen sucht. Schon allein im Zeitraum von 2010 bis 2020 ist der Sektor um 73 Prozent gewachsen. Bis 2030 könnte der Handel mit Wasserflaschen sogar noch für deutlich mehr Umsatz sorgen. Die Fachleute der Vereinten Nationen schätzen, dass sich die globalen Einnahmen in diesem Bereich in den kommenden Jahren fast verdoppeln könnten.

„Deutliche soziale Ungerechtigkeit“

Laut dem Bericht der UNO wirkt sich der Handel mit Wasserflaschen negativ auf die Bemühungen aus, die globale Trinkwasserversorgung voranzutreiben. Kritisiert wird unter anderem, dass der Wirtschaftssektor viel Aufmerksamkeit auf sich zieht, die sonst eventuell den Nachhaltigkeitszielen zukäme. Um die Versorgung mit sauberem Trinkwasser zu verbessern, fehlt es oft an Kapital. Auch in diesem Bereich steht die Wasserflaschenindustrie unter Kritik.

Jährlich werden in den Wirtschaftssektor rund 270 Milliarden US-Dollar investiert. Die noch fehlenden zwei Milliarden Menschen bis 2030 nachhaltig mit sauberem Trinkwasser zu versorgen, würde jährlich hingegen weniger als die Hälfte kosten. Die Autorinnen und Autoren des Berichts sprechen dabei von einer deutlichen sozialen Ungerechtigkeit – Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser, während andere Luxuswasser aus Quellen kaufen, die oft tausende Kilometer entfernt oder sogar auf anderen Kontinenten liegen.

Luxus vs. Notwendigkeit

Gründe für den weltweiten Wasserflaschenboom gibt es viele. In Europa und den USA gilt das Wasser aus den Flaschen oft als geschmackvoller und nährstoffreicher als das Wasser aus der Leitung – Wasserflaschen gelten als luxuriöse Alternative zum Wasserhahn. In vielen wirtschaftlich schwächeren Ländern ist Wasser aus der Leitung aber ohnehin kaum zum Trinken geeignet. Oft fehlt schon die für eine umfangreiche Versorgung notwendige Infrastruktur oder das Wasser aus der Leitung entspricht nicht den Hygienestandards.

Mitverantwortlich dafür ist laut UNO-Bericht oft Korruption im jeweiligen Land und die damit einhergehende Unterfinanzierung hygienischer und umfangreicher Rohrsysteme. Wasser aus Plastikflaschen ist in diesen Regionen oft eine Notwendigkeit, um den Schadstoffen aus der Wasserleitung zu entgehen.

Skepsis begünstigt Handel

Aber auch in Ländern, in denen das Wasser aus der Leitung eigentlich von guter Qualität wäre, wirbt die Wasserflaschenindustrie oft mit „gesünderem und saubererem Wasser“. Dadurch entsteht laut UNO-Bericht Skepsis in der Bevölkerung, was den Handel mit in Plastikfalschen abgefülltem Wasser weiter in die Höhe treibt. Zahlreiche Werbe- und Informationsmaßnahmen seien demnach notwendig, um den Menschen das Vertrauen in das Leitungswasser zurückzugeben. Vorteilhaft wäre das nicht zuletzt, weil auch das Wasser aus den Flaschen nicht immer von Topqualität ist.

Der Zustand der Quelle, chemische Prozesse zum Reinigen, die Lagerung und auch die Plastikflaschen selbst können die Qualität des Wassers maßgeblich beeinflussen. Schwermetalle, Pestizide, Pilze, Bakterien und Mikroplastik können so leicht auch im abgefüllten Wasser vorkommen. Der UNO-Bericht zeigt auf, dass die Wasserqualität in den Plastikflaschen unterschiedlicher Hersteller oft stark variiert.

Dasselbe gilt auch auf Landesebene: Sogar die Flaschen desselben Herstellers weisen oft eine sehr unterschiedliche Wasserqualität auf – abhängig vom Land, in dem sie verkauft werden. Auch das Wasser aus Plastikflaschen ist also nicht immer sauber, stellen die Expertinnen und Experten klar. Sie fordern daher bessere Regulierungen der Wasserqualität, genauere Überprüfungen in diesem Bereich und generell strengere Regeln für die Wasserindustrie.

Extreme Preisunterschiede

Auch der Preis des abgefüllten Wassers variiert stark. In Nordamerika und Europa kostet eine Ein-Liter-Wasserflasche rund 2,50 US-Dollar. In Asien, Afrika und Lateinamerika kostet dieselbe Flasche weniger als die Hälfte. Ein weiterer Vorteil von Leitungswasser: Es ist, abhängig von der Region, 150- bis 1.000-Mal billiger als ein Liter Wasser aus der Flasche.

Der UNO-Bericht kritisiert auch die Folgen für die Umwelt, die der Wasserflaschenboom mit sich bringt. Auch hier fehlen oft klare Richtlinien und Regeln, an die sich die Produzenten halten müssen. Unternehmen wie Coca-Cola, PepsiCo, Nestlé S.A. oder Danone S.A. nutzen große Wassermengen aus natürlichen Quellen. Wie viel Wasser von den Firmen und ihren zahlreichen kleineren Konkurrenten aber tatsächlich extrahiert wird, ist nicht immer ganz klar. Hier fehlt es laut dem Bericht an Transparenz.

Dass die Wasserflaschenindustrie lokale Ressourcen stark ausnutzt, ist aber unumstritten. Untersuchungen haben ergeben, dass Nestlé Waters täglich rund drei Millionen Liter aus Quellen in Florida (USA) entzieht. Für das französische Luxuswasser „Evian“ nutzt Danone jeden Tag rund 10 Millionen Liter Wasser aus dem in den französischen Alpen gelegenen Ort Évian-les-Bains.

Klarere Regeln und finanzielle Beteiligung

Doch nicht nur in der Produktion schaden die Wasserflaschen der Umwelt – auch die Entsorgung bereitet den UNO-Fachleuten Sorgen. Sie schätzen, dass im Jahr 2021 weltweit rund 600 Milliarden Plastikflaschen und andere Wasserbehältnisse aus Plastik produziert wurden – das entspricht rund 25 Millionen Tonnen Plastikmüll. Ein großer Teil davon – laut dem Bericht rund 85 Prozent – wird nicht ordnungsgemäß recycelt und landet auf Mülldeponien. Das weltweite Problem mit der zunehmenden Menge an Mikroplastik in den Flüssen und Meeren wird dadurch ebenfalls verschlimmert.

In erster Linie wünschen sich die Expertinnen und Experten der UNO mehr Transparenz und klarere Gesetze für die Wasserflaschenindustrie. Sie sehen die Produzenten in der Pflicht, die Umwelt besser zu schützen und Bemühungen für eine global gesicherte Trinkwasserversorgung voranzutreiben. Positiv werden im UNO-Bericht laufende Initiativen hervorgehoben, die die Finanzierung der Nachhaltigkeitsziele vorantreiben – etwa die „Global Investors for Sustainable Development (GISD) Alliance“. Derartige Initiativen seien eine Chance für die Wasserflaschenindustrie, das Ziel der globalen Trinkwasserversorgung aktiv und finanziell zu unterstützen.