Bunte Ostereier
APA/BARBARA GINDL
APA/BARBARA GINDL
Haltbarkeitsdatum

Zu viele Lebensmittel landen im Müll

Eine Mio. Tonnen Lebensmittel landen in Österreich jedes Jahr im Müll – eine massive Belastung für Klima und Umwelt. Dass beispielsweise ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum kein Grund sein muss, Lebensmittel wegzuwerfen, zeigt ein neuer Bericht von Greenpeace. Dafür wurden bunte Eier und Osterschinken getestet.

Würden alle Menschen auf der Erde so viele Ressourcen verbrauchen, wie die Österreicherinnen und Österreicher, brauchten wir drei Planeten, um die biologischen Kapazitäten nicht vollends auszuschöpfen. In diesem Jahr wurde der Erdüberlastungstag, der „Earth Overshoot Day“, für den 27. Juli berechnet – Österreich erreicht die Überlastungsgrenze bereits am Donnerstag, dem 6. April. Dazu trägt auch die Lebensmittelverschwendung bei, die hierzulande – wie in allen reichen Ländern – besonders hoch ist.

Eine Million Tonnen Lebensmittel im Müll

Vermeidbare Lebensmittelabfälle entstehen entlang der gesamten Produktionskette, also in der Landwirtschaft, der Verarbeitung, bei Transport und Lagerung, im Handel und in den Haushalten. Ein Abfallberg, der in Österreich jedes Jahr bis zu eine Mio. Tonnen wiegen dürfte, sagt Gudrun Obersteiner vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der Universität für Bodenkultur.

„Die Haushalte haben hier mit Abstand den größten Anteil bei den vermeidbaren Lebensmittelabfällen“, sagt Obersteiner. Der wird in Österreich mit 40 bis 60 Prozent beziffert. Ursachen dafür sind etwa die falsche Lagerung von Lebensmitteln und schlecht geplante Einkäufe. Hinzu komme, dass viele Konsumentinnen und Konsumenten das Mindesthaltbarkeitsdatum für ein Ablaufdatum halten, so Obersteiner. Viele Produkte seien noch Tage und Wochen nach Ablauf der Mindesthaltbarkeit sicher und genießbar, landen aber unbesehen im Müll.

Mindesthaltbarkeit ist nicht Ablaufdatum

Dass viele Lebensmittel sehr viel länger haltbar sind, als auf der Verpackung angegeben, zeigt auch eine aktuelle Untersuchung von Greenpeace. Sechs Produkte – frische Eier, gekochte bunte Eier, Striezel, Brot, Osterschinken und Frischkäse – wurden zwei Wochen nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums von einem unabhängigen Labor getestet und zwar mit Blick auf Sicherheit und Sensorik. Alle waren nach wie vor sicher genießbar und geschmacklich einwandfrei. Viele Lebensmittel werden unnötiger Weise weggeworfen, weil die Annahme vorherrsche, dass Produkte nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums ungenießbar seien, sagt Sebastian Theissing-Matei von Greenpeace Österreich. „Dabei handelt es sich eigentlich um so etwas wie eine Frischegarantie.“

Über die Länge der Mindesthaltbarkeitsdaten entscheiden Hersteller, teilweise unter Mitsprache des Handels. Die wurden oft kürzer angesetzt, um sich beispielsweise vor Haftungsfragen zu schützen, sagt Theissig-Matthei. „Da wäre es schon sinnvoll, zum Beispiel im Rahmen des österreichischen Lebensmittelkodex regulatorisch realistischere Mindesthaltbarkeitsdaten festzulegen.“

Lebensmittelabfall belastet das Klima

In Österreich arbeitet das Umweltbundesamt daran, die vermeidbaren Lebensmittelabfälle jährlich zu erfassen. Dazu zählen 400.000 Tonnen bis 600.000 Tonnen, die in den Haushalten anfallen. Diese Lebensmittelverschwendung ist angesichts von etwa 800 Millionen Hungernden auf der Welt ein großes ethisches Problem. Hinzu kommt die massive Klimabelastung durch die Ressourcenverschwendung und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen.

Eine internationale Studie, die vor kurzem in der Fachzeitschrift „Nature Food“ erschien, zeigt, dass die Hälfte der weltweiten Emissionen der Lebensmittelproduktion allein auf vermeidbare Verluste und Abfälle zurückzuführen ist. Insgesamt handelt es sich um 9,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, was den jährlichen Emissionen von EU und USA zusammengenommen entspricht.

Tierische Abfälle besonders klimaschädlich

Die Studie berücksichtigte alle anfallende Emissionen über die gesamte Produktions- und Lieferkette hinweg, also vom Feld bzw. Stall über den Handel und die Haushalte bis auf die Müllhalde. Die Ergebnisse zeigen, dass Fleischabfälle besonders klimaschädlich sind. Demnach dürfte etwa Rindfleisch über den Produktionsweg hinweg 77-mal mehr Emissionen verursachen als Gemüse wie etwa Tomaten. Selbst durch den Verrottungsprozess des Fleisches auf der Halde entstehen Treibhausgase.

Die Welternährungsorganisation FAO geht davon aus, dass ein Drittel des weltweiten Treibhausgasausstoßes auf die Nahrungsmittelversorgung entfällt. Auch deswegen zählen die Vereinten Nationen in ihrer Agenda 2030 die Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung. Dem hat sich die EU angeschlossen: Die Lebensmittelverschwendung soll pro Kopf auf Einzelhandels- und Verbraucherebene bis 2030 halbiert, die Lebensmittelverluste entlang der Produktions- und Lieferketten verringert werden.

„Schauen, riechen, schmecken“

Um dieses Ziel zu erreichen, müsste es allen voran gelingen, das Lebensmittelabfallaufkommen in den Haushalten zu reduzieren, sagt Gudrun Obersteiner von der BOKU. Viele wüssten nicht, wie lange Lebensmittel eigentlich genießbar sind. „Wir müssen wieder lernen, zu schauen, zu riechen und zu schmecken, um hier bessere Entscheidungen treffen zu können und unnötige Abfälle zu vermeiden“, so Obersteiner. Hier sei es am vielversprechendsten bei der Schulbildung anzusetzen. Das Thema der Abfallvermeidung sei mittlerweile zumindest in den Lehrplänen verankert.

Was das Mindesthaltbarkeitsdatum betrifft, gibt es in der EU Bestrebungen, diese Angabe um einen Hinweis zu ergänzen, dass die Produkte länger genießbar sind. Das würde auch Greenpeace begrüßen. Die Umweltorganisation fordert zudem, sinnlose Mindesthaltbarkeitsdaten zu entfernen und stattdessen das Produktionsjahr anzugeben, etwa bei Lebensmitteln wie Reis, Konserven und Kaffeebohnen.

Empfehlungen für den Ostereinkauf

Mit Blick auf den Ostereinkauf gibt es bereits Neuerungen was das Mindesthaltbarkeitsdatum von Eiern betrifft. Auf Antrag der Grünen hat die Eruopäische Kommission dieses mit Dezember 2022 verlängert. Eier dürfen nicht mehr nur 21 Tage, sondern 28 Tage verkauft werden.

Wer zu Ostern unnötige Abfälle vermeiden will, dem empfiehlt Sebastian Theissig-Mattei zuhause auf die richtige Lagerung der Lebensmittel zu achten, Produkte nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums nicht ungeprüft wegzuwerfen und bewusst einzukaufen, gerade bei tierischen Produkten. Oft würde nicht ausreichend geplant und sogar gehamstert, so der Greenpeace-Sprecher, und das führe fast immer zu vermeidbaren Lebensmittelabfällen.