Hedy-Lamarr-Teleskop am Dach des IQOQI-Instituts in Wien-Alsergrund
ÖAW – IQOQI
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Physik

Quantenverschränkung bei Tag auf Bisamberg

Verschränkte Quantensysteme sollen in Zukunft eine komplett abhörsichere Kommunikation ermöglichen. Verschränkungen sind aber sehr anfällig für Störungen und etwa in der Nacht viel einfacher. Wiener Forscher haben nun erstmals Photonenpaare bei Tageslicht mehrfach verschränkt – und zwar zwischen Wien und dem Bisamberg.

Das berichtet soeben ein Forscherteam um Marcus Huber vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und vom Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien im Fachblatt „Physical Review X“.

Über Distanz verbunden

Der Hintergrund: Zwei verschränkte Quantensysteme, zum Beispiel zwei Photonen, bleiben über beliebige Distanzen miteinander verbunden und teilen ihre physikalischen Eigenschaften. Misst man eine Eigenschaft an einem Teilchen, etwa die Schwingungsrichtung (Polarisation) eines Lichtteilchens, erhält man ein fundamental zufälliges, also nicht vorhersagbares Resultat. Damit ist zwingend aber auch die entsprechende Eigenschaft des zweiten, verschränkten Teilchens ident mit jener des ersten Teilchens.

Mit diesem von Albert Einstein als „spukhaft“ bezeichneten Phänomen lässt sich also an zwei unterschiedlichen Orten zeitgleich exakt dieselbe Information erzeugen. Zudem garantieren die Gesetze der Quantenphysik, dass niemand diese Information abhören kann. Deshalb eignet sich die Verschränkung, um abhörsichere Schlüssel zur Ver- und Entschlüsselung von Informationen zu generieren – was als „Quantenkryptographie“ bezeichnet wird.

Das Problem ist die gegenüber äußeren Einflüssen sehr empfindliche Verschränkung. Das erschwert die Übertragung über längere Distanzen. Für Glasfasern gibt es noch keine Signalverstärker, die die Verschränkung aufrechterhalten. Und will man über die Luft übertragen, „gehen verschränkte Photonen verloren oder sie werden durch atmosphärische Störungen immer weniger verschränkt“, erklärte Marcus Huber gegenüber der APA.

Hedy-Lamarr-Teleskop am Dach des IQOQI-Instituts in Wien-Alsergrund
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Hedy-Lamarr-Teleskop am Dach des IQOQI-Instituts in Wien-Alsergrund

Photonenpaar mehrfach verschränkt

Bereits 2019 hat Huber gezeigt, dass die Verschränkung robuster gegenüber äußeren Störungen wird, wenn die Teilchen in mehr als zwei Dimensionen verbunden werden. Nun ist es dem Physiker und seinem Team gelungen, bei Tageslicht mithilfe mehrdimensional verschränkter Photonenpaare einen Quantenschlüssel über eine Distanz von zehn Kilometern durch die Luft vom Dach des IQOQI in Wien-Alsergrund bis zum Bisamberg zu übertragen.

Dazu wurden am Institut mit einer Photonenquelle verschränkte Photonenpaare erzeugt und anschließend getrennt. Jeweils ein Lichtteilchen der Photonenpaare blieb am Institut, das andere wurde an die Station am Bisamberg geschickt. Die Photonenpaare waren dabei in mehr als zwei Dimensionen verschränkt.

Konkret bildet dabei die Schwingungsrichtung (Polarisation) der Lichtteilchen (z.B. vertikal und horizontal) zwei Dimensionen. Zumindest in einer weiteren Dimension waren die Lichtteilchen durch eine Eigenschaft verschränkt, die man sich vereinfacht als ihre Farbe oder Wellenlänge vorstellen kann. „In Wahrheit ist es komplizierter, weil wir uns die Unschärfe zwischen Energie und Zeit zunutze machen“, so Huber.

Messung im Nanosekundenbereich

Auflösen konnten sie diese Eigenschaft durch die sehr exakte Messung der Ankunftszeit der Photonen am Bisamberg. Um dies mit einer Genauigkeit im Nanosekundenbereich tun zu können, mussten sie zwei Atomuhren mithilfe der verschränkten Photonenpaare speziell synchronisieren. Je genauer sie dabei die Ankunft der Photonen messen, desto höherdimensional wird die Verschränkung.

„Wir definieren ein Zeitfenster von einigen Dutzend Nanosekunden. In diesem können wir mit unseren Uhren zwei bis 30 verschiedene Ankunftszeiten ohne großen Fehler unterscheiden“, so Huber. Dem entsprechend sind die Photonen in zwei bis 30 Dimensionen – zusätzlich zu den beiden Polarisations-Dimensionen – verschränkt.

Durch die höhere Zahl an Dimensionen wird die Verschränkung robuster, allerdings sinkt die Datenrate durch zusätzliche Fehler aufgrund der Komplexität hochdimensionaler Messungen. „Das Beste an unserer Methode ist, dass wir die Dimensionalität ständig anpassen können. Wenn es mehr äußere Störungen gibt, können wir das Signal so robuster machen, wenn wenige Störungen vorhanden sind, optimieren wir die Datenrate“, so Huber.

Receiver am ehemaligen ORF-Zentrum am Bisamberg
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Receiver am ehemaligen ORF-Zentrum am Bisamberg

1,5 Stunden nach Sonnenaufgang

So ist es den Forschern erstmals gelungen, selbst im Photonensturm des Tageslichts einen Quantenschlüssel durch die Luft zu teilen. Noch 1,5 Stunden nach Sonnenaufgang hat das funktioniert, die Verschränkung ließ sich auch noch länger nachweisen.

Weil die Forscher wissen, welche Frequenz die verschränkten Photonen haben, können sie das gesamte Licht außerhalb dieser Frequenz wegfiltern. So prallen „nur mehr“ rund eine Million Photonen pro Sekunde auf jeden der beiden Detektoren am Institut und am Bisamberg. Rund 100.000 Mal pro Sekunde passiert das aber gleichzeitig innerhalb des definierten Zeitfensters – „dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie aus derselben Quelle stammen und verschränkt sind“, so Huber. Daraus ergibt sich dann ein Schlüssel von ein paar Dutzend Bit pro Sekunde.

Die Physiker arbeiten nun an weiteren Verbesserungen, um den Betrieb rund um die Uhr zu demonstrieren. „Wir sehen keine theoretischen Hürden, die das verhindern.“

Zukunftsziel ist es, in einem Quantennetzwerk per Satellit weltweit sichere Schlüssel zu teilen, etwa für sensible Kommunikationsvorgänge wie Online-Banking. Bei der Übertragung zwischen Bodenstation und Satellit sind die untersten zehn Kilometer der Luftschicht aufgrund der atmosphärischen Störungen entscheidend – eben die Distanz zwischen Institut und Bisamberg.