Mikroskop, Forschung
chokniti – stock.adobe.com
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Forschungsförderung

Wettbewerb hemmt Innovationen

Wissenschaft ist in Österreich kompetitiv organisiert: Forscherinnen und Forscher bewerben sich um Fördergelder für ihre Projekte. Dafür müssen Anträge verfasst und eingereicht werden. Ein Vorgang, der viel Zeit und Ressourcen bindet – wie viel, hat eine Studie der Technischen Universität Graz untersucht.

„Wir wissen mitunter nicht, wonach wir suchen, bis wir es schließlich gefunden haben“, das soll der Philosoph Ludwig Wittgenstein über die wissenschaftliche Forschung gesagt haben. Ein solcher Zugang wäre im gegenwärtigen Wissenschaftsbetrieb undenkbar. Wer forschen will, braucht Geld für Personal, Räumlichkeiten und Infrastruktur.

Finanziert wird all das überwiegend aus Drittmitteln, also Förderungen, um die sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bewerben müssen. Wie viel Zeit dieser Prozess in der Angewandten Forschung in Anspruch nimmt, hat Gerald Schweiger in einer Studie erhoben. Er leitet die Forschungsgruppe Intelligent Systems an der Technischen Universität Graz. „Bei den aktuellen Erfolgsquoten sind das etwa ein bis zwei Arbeitsjahre einer Person für ein gefördertes Projekt“, so Schweiger.

Die Erfolgsquoten liegen bei zehn bis 20 Prozent, das heißt, mehr als 80 Prozent der Anträge werden abgelehnt. Hinzu komme, so Schweiger, dass der Auswahlprozess zufällig sei. Analysen hätten bereits gezeigt, dass unterschiedliche Begutachterinnen und Begutachter kaum dieselben Projekte für förderungswürdig halten. Auch bei Förderungsentscheidungen, die von einem Panel getroffen werden, sei die Situation nicht anders.

Lotterie wäre effizienter

Schweiger hat Kolleginnen und Kollegen gefragt, wie sie das gegenwärtige System einschätzen, und ob der Wettbewerb um Förderungen die wissenschaftliche Qualität erhöhe. „Weniger als zehn Prozent haben gesagt, dass das kompetitive System tatsächlich zu mehr Qualität und besseren wissenschaftlichen Ergebnisse führe“, so Schweiger. Mehr als 90 Prozent gaben an, derzeit zu viel Zeit mit der Bearbeitung von Anträgen zu verbringen, die ihnen in der Forschung selbst fehle.

Forschungsgelder könnten demnach zufällig, mit einer Art Lotterie vergeben werden. Das Ergebnis sei vom Wettbewerb nicht zu unterscheiden, würde aber Zeit, Ressourcen und Geld sparen. Und die Wissenschaft selbst würde ebenfalls davon profitieren, denn empirische Daten zeigen seit Jahren, dass der Auswahlprozess Innovationen hemmt. Wirklich neue Erkenntnisse kämen so kaum zustande. Dass wissenschaftliche Durchbrüche immer seltener werden, zeigte Anfang des Jahres auch eine Studie eines US-Forschungsteams, die im Fachjournal „Nature“ veröffentlicht wurde.

Förderpolitik belohnt Vorhersehbares

Denn wer sich um Drittmittel bewirbt, muss genau definieren, was erforscht werden soll, was am Ende dabei herauskommen soll und in welcher Zeit das passieren soll. Bei einem solchen Vorgehen etwas grundsätzlich Neues zu entdecken, ist höchst unwahrscheinlich, denn die Förderpolitik belohnt tendenziell das Vorhersehbare. Auch das ist im System begründet: Im Wettbewerb um Fördermittel und Wissenschaftsbudget müssen die Förderorganisationen schnelle Ergebnisse vorlegen.

Schweiger plädiert zudem dafür, mehr Geld in die Grundlagen und weniger in die Angewandte Forschung zu investieren: „Die Förderung Angewandter Forschung ist meiner Meinung nach sehr oft eine versteckte Investitionsförderung.“ Echte Innovationen seien dagegen eine Folge von Grundlagenforschung. Effizienter wäre es, die Universitäten finanziell besser auszustatten, um mehr Grundlagenforschung möglich zu machen, die risikofreudiger sein kann.

Mehr Zitationen nach Förderung

Der Wissenschaftsfonds, FWF, der in Österreich die wichtigste Förderinstitution für Grundlagenforschung ist, verweist in einer Stellungnahme auf andere Studien, die gezeigt hätten, dass ein höheres Basisbudget für Universitäten nicht zu einem höheren wissenschaftlichen Output führe. Und insgesamt sei der Drittmittelanteil in Österreich im internationalen Vergleich niedrig, gerade in der Grundlagenforschung.

Und eine Erhebung zeigt, dass Forscherinnen und Forscher aus Österreich ohne Förderungen der großen Förderorganisationen, wie FWF oder European Research Council, weniger zitiert wurden als jene, die Förderungen und Grants erhielten. 17 Zitationen pro Publikation von nicht gefördeten Forschenden stehen 33 Zitationen bei geförderten Projekten gegenüber. Und, auch das betont der FWF, pro Förderantrag fielen etwa 30 Arbeitstage an.

Experiment in Italien

Wie sich weniger Wettbewerb auf die Forschung auswirkt, ob sie mehr neue Erkenntnisse und Innovationen hervorgebracht werden, untersucht ein Experiment einer italienischen Universität derzeit. Forschende der Uni bekommen über drei Jahre hinweg jährlich ein Budget von 14.000 Euro, das sie für ihre Projekte verwenden können. Mit Blick auf den wissenschaftlichen Output und das Publikationsaufkommen habe sich dort bis dato nichts verändert, so Schweiger, beides blieb gleich. Nun müsse man die langfristige Analyse abwarten.